Gestern um 17.00 Uhr war sie da und erklärte mir meinen Auftrag.

Der belgische Geheimdienst hatte gegen Ende der Kolonialzeit an die "Paras", die Elitetruppe der Fallschirmspringer, die in Zaire im Einsatz war, Kugelschreiber verteilt, deren Inneres eine Art Skalpell oder Stilett war. Man konnte mit dem Kuli richtig schreiben, wenn man ihn normal öffnete, da er auch eine richtige Mine enthielt. Aber man konnte ihn auch anders öffnen und dann als Tötungsinstrument gebrauchen. Das Messer hatte genau die richtige Länge, Spitze und Schärfe, so daß ein sanfter Stoß damit genügte, einen Menschen zu töten, angeblich, ohne daß dieser es überhaupt merkte.

"Und was hat das mit Leonberg zu tun?"

Im "La Luppia", wo sie sich damals immer getroffen hätten, also sie, Serge und diverse andere Belgier, habe damals ein schwunghafter Handel mit diesen blauen Kulis stattgefunden. Es gehe jetzt darum, herauszufinden, ob dieser Handel weiterbestehe. Mehr dürfe sie mir nicht sagen. Vielleicht später.

Ich vertraue ihr und werde den Auftrag ausführen. Er besteht darin, ein Gemälde und einen Begleitbrief zu übergeben und die Reaktionen zu beobachten. (Auf das "Gemälde" ist übrigens ein echter blauer Kugelschreiber aufgeklebt und darunter steht: Dies ist kein Kuli.)

Wenn Du Zeit hast, können wir uns ja anschließend in Ludwigsburg treffen.

Willst Du wissen, wie der Abend gestern ausging?

Sie erzählte mir noch, wie sie das letzte Mal mit Serge im "La Luppia" war.

"Wir waren so besoffen, daß wir ganz laut miteinander geredet haben. So in dem Stil: Na, Serge, jetzt bist Du platt, was? Nein, Ina, ich bin überhaupt nicht platt, sondern nur breit! Die Kellner mußten sich unsere Namen einfach merken.

Und dann haben wir mit den Kulis rumgefuchtelt. Der eine war so blau wie wir und der andere ein Tötungsinstrument. Aber diese Italiener haben das sehr beunruhigt beobachtet und seitdem sind wir dort bekannt und gefürchtet."

"Was haben die denn zu befürchten, wenn sie nicht selber in Autoschiebereien und den Handel mit gefährlichen Kulis verwickelt sind?"

"Eben."

Pause. Dann bin ich unvermittelt mit ihr "warm" geworden: Wir hatten auf einmal einen Blickwechsel, der nicht mehr wechseln wollte. Wir schauten uns in die Augen und hatten keine Lust mehr, voneinander zu lassen. Wir wollten uns nahe sein und waren es.

Es gelang uns, noch ein Getränk zu bestellen, das wir jedoch nicht mehr zu uns nahmen. Wir brauchten es nicht mehr. Ich legte das Geld automatisch und abgerundet auf den Tisch und fragte sie mit den Augen, ob wir gehen sollten?