Hin und her gerissen schweifen meine Gedanken ab. Ich wandle zwischen zwei
Welten und verliere langsam den Bezug zu beiden. Eine anfängliche Träumerei
wird zur Gradwanderung zwischen der Welt draußen und der in mir.
Ich gehe durch reale Straßen und doch bin ich nicht hier. Kurze Momente
lenken meine Aufmerksamkeit in die Realität. Ich sehe einen straffen Arsch
vor mir wackeln und im Gedanken spiele ich bereits damit rum und habe ein
Kribbeln im Schritt. Entschuldigen Sie bitte, aber hätten Sie nur ein paar
Minuten Zeit, um sich es von hinten besorgen zu lassen? In einer meiner
Welten funktioniert das, es dreht sich hier alles um mich. Andere sind
lediglich ein Spielzeug meiner Fantasie.
Ist es dann ein Wunder, dass man die Realität in Ihrer ehrlichen Heftigkeit
gar nicht mehr ertragen möchte? Ich bin gespannt, wann mich die Wahrheit
einholt und mich trifft wie Thors Hammer. Bis zu diesem Moment werde ich
weiter machen.
Ich bin wieder einmal unterwegs. In zwei Welten, der Himmel ist grau und ab
und zu regnet es. Typisches Herbstwetter. Während ich dies schreibe, überlege
ich mir, wie weit das Leben, das ich führe, sich von dem, das ich mir erträume,
unterscheidet.
Es wird mir klar, dass es weniger die äußeren Umstände sind, die mich erdrücken,
sondern die Menge an Dingen, zu denen man gezwungen ist, sie zu erledigen. Es
beginnt morgens - du musst aufstehen. Welcher gottverdammte Schweinehund hat
mir zu sagen, wann ich schlafe und wann ich wach sein soll.
Mein natürlicher Rhythmus ist entgegen jedem normalen Lebensstil. Ich schlafe
nicht gerne viele Stunden am Stück sondern lieber öfter am Tag ein paar
Stunden. Einfach dem Drang nachgeben, wenn man Müdigkeit verspürt. Ich mag es
morgens einkaufen zu gehen, wenn alle anderen in der Arbeit sind. Große
Menschenmengen sind nicht so meins. Ich will nicht an der Kasse endlos
anstehen. Schlange stehen liegt mir ohnehin nicht. Zu schnell schweife ich
ab und vergesse dann, wenn ich an der Reihe bin, häufig Dinge, die ich kaufen
wollte. Ich bin einfach gerne alleine unterwegs und vertreibe mir die Zeit
mit kleinen Fantasiewelten, die ich mir erdenke. Einer Person, die mir in der
S-Bahn gegenüber sitzt, wird ein Leben angedichtet. Die meisten kommen nicht
besonders gut dabei weg.
Natürlich bin ich ein großer Lügner und Blender. Vor allem mir selbst mache
ich gerne etwas vor. Ich habe es irgendwann so angenommen, dass man sich auf
mich nicht unbedingt verlassen sollte. Ich glaube, da,s ich ein Egoist bin, der
sich dessen jedoch bewusst ist. Ich nehme meine schlechten Charakterzüge an
und bin, zumindest was dies angeht, ehrlich zu mir.
Ich rede mir aber auch ein, dass ich jederzeit aufhören könnte zu rauchen.
Dem Alkohol jederzeit abschwören könnte. Ohne Sex mein Leben auch weiter
gehen würde. Vielleicht ist das gar keine Lüge, ich habe es nur noch nie
ausprobiert. Würde ich mir einen perfekten Tag ausmalen, sind zumindest alle
drei dabei.
Lesen Sie nur ein paar Zeilen zurück und sehen Sie, wie oft ich das Wörtchen
ICH benutzt habe. Wenn das mal nicht fortgeschrittener Egoismus ist, weiß ICH
auch nicht. Es geht aber nicht anders. Ich schreibe nun mal von mir und dazu
ist es unweigerlich notwendig, auf meine Person zu sprechen zu kommen.
Das Leben ist ein Auf und Ab, und meistens quält man sich vom Tal nach oben,
um direkt wieder abzustürzen. Wenn man es genau betrachtet, ist das
ganze Leben ein Kämpfen und Abstürzen für die kurzen Momente in denen man
oben ist. Ist es da ein Wunder, dass viele einfach auf halber Strecke sagen
"fickt euch" und nicht mehr weiter nach oben drängen. Sie haben es verstanden,
dass unweigerlich der Fall kommen muss.
Aber dies wird in der heutigen Zeit nicht akzeptiert. Man hat zu kämpfen und
darf nicht stehen bleiben. Zeigt Moral ihr Schafe! Ihr wollt doch bestimmt
keines von den schwarzen sein.
So wird ein jeder beschissen und an die Wand gestellt. Man lässt es sich so
richtig besorgen und schaut dabei noch zu.
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