Kunstbilder


Ich treffe drei Berg-Fidel-Kinder aus dem 1. Stock im Flur. Sie fahren mit mir Aufzug.
Die Berg Fidel Kinder sind eine Generation urban geprägter Hochhauskrüppel.
Sie werden keine Probleme haben, sich zu vermehren. Keine Probleme, sich selber Probleme zu machen und ihr Leben so interessant zu gestalten. Sie werden nur ein Problem haben zu erklären, warum sie das alles tun. Mit ein bisschen Glück denken sie nie darüber nach.

"Bist du Kunstmaler? Malst du Kunstbilder?" Fragt mich ein kleines Mädchen, das viel zu früh von irgendeinem Halbidioten gefickt werden wird, der gleichzeitig aus Mund und Nase rotzen kann. "Malst du Kunstbilder?"

"Ja, mache ich." Drei Augenpaare gucken mich an. Kleine Köpfe, die aus
der fehlfarbenen Kindermode des letzten oder vorletzten Sommers ragen. "Was für Kunstbilder?"

"Tiere." Sage ich. "Er malt Kunstbilder!" Sagt die Wortführerin zu ihren Geschwistern/Halbgeschwistern/Findelgeschwistern/Leihgeschwistern. Der Aufzug ruckt an. Ich warte auf die obligatorische Frage dieser Spezies, der zwischen Aufzug, Fahrradkeller, Innenhof und den bestimmt nicht strahlungsarmen Antennen auf dem Dach aufgewachsene Menschenbrut.

Kurz bevor der Aufzug in ihrem Stockwerk hält. Ich werde nicht enttäuscht.

"Schenkst du mir ein Bild? Ein Kunstbild?"

Schenkst du mir ein Kunstbild, schenkst du mir dein Handy, bitte, schenkst du mir ein bisschen Aufmerksamkeit?

Heute frage ich nicht, warum ich’s ihnen schenken soll. Diese Frage ist in den kleinen, langsam arbeitenden Hirnen auf einer derart kurzen Aufzugfahrt nicht zu beantworten.

"Ich hab grad keine. Alle Blätter leer, siehst du?" sage ich und zeige auf die Rolle, die an meinen Rucksack geschnallt ist. Dafür schenke ich ihnen Schokolade, die nehmen sie auch.

Keine weiteren Fragen. Die Türen öffnen sich. "Schüss!" Dreistimmig. Das kleine Mädchen das mich gefragt hat ob ich Kunstbilder male, rennt als erste raus. Der verschüchterte Junge mit den großen Augen und den großen Ohren wartet, will seine Schwester /Halbschwester /Findelschwester /Leihschwester vorlassen. Die schubst ihn, tritt hinterher und brüllt: "Ladies first!" Er stolpert aus dem Aufzug. Sie hinterher. Die Türen schließen sich wieder. "Bis morgen." Sage ich zu mir selber. Zurück bleibt der Geruch von Gemüsesuppe und Kaninchen.

 

 

Kontakt zum Autor: Malte Spindler - malte.spindler@gmx.de

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