Der Geburtstag |
Ich werde in wenigen Tagen meinen Geburtstag feiern, den 75. Es wäre übertrieben zu sagen, alle meine vorherigen sind mir im Gedächtnis, aber an einige kann ich mich sehr gut erinnern. Mit einigen verbinde ich schöne Erinnerungen, andere möchte ich gerne aus meinem Gedächtnis löschen, wenn das nur ginge. Nun ist es eine unsrer menschlichen Eigenschaften, immer in unser Leben zurück zu blicken, immer mit einer unerklärbaren Hoffnung etwas festhalten zu wollen, oder nicht dieselben Fehler nochmals zu wiederholen. Ich gehöre auch zu dieser Gruppe, die in Gesprächen sehr oft die unheilbringende Phrase „Ich erinnere mich noch ganz genau“ verwendet, denn eine solche Einleitung birgt immer die Gefahr vom eigentlichen Thema weg zu kommen. Ich wische daher im Augenblick diese Gedanken zur Seite und will mich auf das Wesentliche konzentrieren. Heute sind 75 Lebensjahre keine Sensation mehr, die Statistik sagt mir, ich könne ohne weiteres noch 6 bis 7 Jahre schaffen. Ich habe Freunde, die haben ihr statistisches Lebensalter schon überschritten, denken aber nicht daran sich zu verabschieden, eher haben sie eine diebische Freude zu sehen, dass der Staat noch immer ihre Pensionen zahlen muss. Sie sagen, man mache sich ja keine Vorstellung, wie teuer das Leben jetzt geworden ist. So hat die letzte Kreuzfahrt, die man mit der Gattin, er musste einfügen, nach der Statistik wird sie mich um mindestens 5 Jahre überleben, gemacht hat, einen gewaltigen Riss in das Sparkonto gemacht. Jetzt planen sie eine Reise zu den letzten Eisbergen, die man sehen muss, bevor sie verschwinden, unbeantwortet blieb, wer hier früher verschwinden wird, aber man gönne sich ja sonst nichts. Ich bin kein Freund dieser Welterkundigungen, aber ein gewisser Neid meldete sich jedoch in mir, als mein 82jähriger Freund mir erzählte, dass sein Geburtstag genau auf diesen Tag fiel, als das Kreuzfahrtschiff die Äquatorlinie überquerte und er in einer feierlichen Zeremonie getauft wurde, allerdings wurde seine Tauffeier ein wenig dadurch getrübt, dass er sie mit einer 86 jährigen Reisenden teilen musste und nicht die uneingeschränkte Aufmerksamkeit erhielt. Den Champagner jedoch genoss er sehr und auch die Gratulation des Kapitäns und der Mannschaft. Sein Mittäufling, die angeblich noch rüstige 86jährige Dame, lehnte jedoch sein Angebot, privat mit ihm in der Kabine weiter zu feiern ab. Er musste erfahren, dass die Dame einer Einladung des Kapitäns Folge geleistet hatte und eine Führung auf die Brücke erhalten hatte und sogar für kurze Zeit das Steuerrad übernehmen durfte. Es sei zu dieser Zeit aber absolut ruhige See gewesen, sie konnte also in keine Havarie mit einem anderem Kreuzfahrtschiff verwickelt werden. Zurück zu mir. Wir verlassen die hohe See, ich stehe viel lieber mit beiden Beinen auf festem Boden. Zu Geburtstagen gehört es auch und das ist ein alter Brauch, dass man Geschenke erhält. Diese Geschenke sind eine wahre Fundgrube für Psychoanalytiker, lassen sie doch zu, dass mit ihnen Rückschlüsse sowohl auf den Beschenkten als auch die Schenkenden gezogen werden können. In meiner Kindheit waren es immer und ich hielt das nicht für besonders einfallsreich, eine Doppelpackung Unterhosen mit den farblich dazugehörigen Unterleibchen und um ordentlich angezogen zu sein; ebenfalls eine Doppelpackung Socken. Manchmal kamen auch selbst gestrickte Sachen, wie ein Schal oder Pullover mit Norwegermuster auf der Brust, also alles Dinge, die die Freude an einem solchen Festtag erhöhen sollten. Es gehörte sich auch, dass man nach dem Auspacken der Geschenke, unter völlig überraschten Gesichtszügen, sagen musste: „Welche Freude!Mit diesen Dingen hätte ich nie gerechnet, das ist wirklich sehr aufmerksam von euch, wie habt ihr nur gewusst, dass ich mir das schon lange gewünscht habe.“ Aber die Kindheit verflog schnell, die kommenden Jugendjahre enthielten noch genügend Überraschungen bereit, so war der Verlust von Hosen und Leibchen keine dramatische Sache mehr, die Geschenke sollten von Wert für das zukünftige Leben sein, also Bücher und hier vor allem diverse Lexika, die zu lesen ja eine spezielle Bereicherung darstellten. Eine Sensation war das erste Fahrrad. Die Freude wurde jedoch getrübt, da ich nicht alleine ausfahren durfte, mit der Begründung, ich würde zu wenig achtsam sein und es wäre schade um das schöne Rad. Das Leben galoppiert dahin und während des Studiums kamen immer nur sogenannte nützliche Dinge zum Festtag, ein Anzug (genannt Sonntagsanzug, weil zu schade ihn während der Woche zu tragen), eine Ledertasche vom Großvater, die er durch die Wirren des Krieges gerettet hatte, eine Armbanduhr, die man alle zwei Tage aufziehen musste, sie hatte ein Schweizer Uhrwerk, hielt sich jedoch nicht an die sprichwörtliche Schweizer Tradition der Ganggenauigkeit. Nun kommen im Leben auch gewisse Randerscheinungen der Entwicklung zum Tragen, die meist in den Bereich der vielen Tabus fallen. Eine dieser Erscheinungen ist neben dem Körperwachstum auch die Entdeckung, dass gewisse Hormone unser zukünftiges Leben beeinflussen. Diese Entdeckungen können erfreuliche Wünsche erfüllen, haben aber die unangenehme Eigenschaft bipolar zu sein. Die ersten Wünsche nach Erkenntnis tieferer Funktionsweise der Hormone lieferte die Literatur. Aus Gesprächen mit meinen Schulfreunden wussten wir, dass in jedem Haus in der Bibliothek, meist hinter den Klassikern verborgen, eine spezielle Gattung von Literatur verborgen war. Neben dem Werk: „Der Hausarzt hilft“ fand sich der Ratgeber „Ein erfülltes Leben“. An der Abnützung der Buchseiten konnte man erkennen, dass dieses Werk öfter Verwendung fand als der „ Hausarzt“. Nahm man es in die Hand, öffnete es sich von allein auf den Seiten, die der Erklärung und Funktionsweise der Geschlechter dienten. Leider fehlten meist die entsprechenden Abbildungen, was aber den Vorteil hatte, dass dadurch die Phantasie besonders angeregt wurde. Wer las denn in diesem Buch, warum war es verborgen? Ich hatte es eines Tages auf dem Nachtkästchen meines Vaters vorgefunden und danach war es auf mirakulöse Weise verschwunden. Es gab aber auch andere Spezialliteratur, wie etwas das „Decameron“, „Kamasutra“, „Geheimnisse fernöstlicher Liebe“ und natürlich, da ich ja in Wien lebe, „Josefine Mutzenbacher“. Dieses Buch wurde unter uns jungen Knaben das meistgelesene Buch. Was gab es schöneres als in einer stillen Ecke der Wohnung sitzend, das Buch hinter der Grammatik der lateinischen Sprache verborgen, zu studieren. Gab es einen besseren Aufklärungsunterricht ?, denn von Eltern oder Schulseite kamen keine Informationen, wie unsere Eltern daher wussten, dass wir aufgeklärt waren, blieb mir lange Zeit ein Rätsel, denn von meiner Mutter hörte ich sehr oft: „ Sollte eines Tages ein Mädchen mit Bauch vor der Türe stehen, kannst du gleich deine Koffer packen, wir kommen für nichts auf“. Von welcher Seite waren sie informiert, wer hatte sie in Kenntnis, gesetzt, dass wir auch etwas wussten, das über ein wenig mehr hinausging als die brave Biene, die emsig von Blume zu Blume flog um sie zu bestäuben. Besonders amüsant war es, wenn sehr progressiv denkende Eltern auf die Frage, wo die kleinen Babys denn herkamen, antworteten: „ Wenn Papa und Mama sich sehr lieb haben, dann umarmen sie sich, halten sich ganz fest und neun Monate später kommt so ein kleiner Zwerg auf die Welt“. „Wer hat dir das erzählt, dein Vater oder deine Mutter“? ,wurde unter großem Gelächter gefragt. „Meine Eltern sprechen darüber gar nichts mit mir“, sagten die meisten von uns. Ein Freund erzählte, er habe, da sein Bett im Schlafzimmer der Eltern stand, oft mitanhören müssen, wie das Bett der Eltern krachte und knarzte und seine Mutter immer sagte: „ ass ja auf, drei sind schon genug“. Es war also eine sehr schöne Epoche der Kindheit, beide Seiten, Eltern und Kinder wussten von Dingen und Geheimnissen, von denen sie meinten, dass der andere Teil, keine Ahnung hatte. Wir lebten in einer Zeit, in der an vielen gesellschaftlichen Tabus gerüttelt wurde. Schriftsteller wie Schnitzler oder Horvath konnten jetzt auch schon von Jugendlichen gelesen werden, ohne dass man gerügt wurde. Einer meiner Lieblingsautoren zu dieser Zeit war John Steinbeck. Später besuchte ich fünfmal die Verfilmung von „Jenseits von Eden“ mit James Dean in der Hauptrolle. Wie traurig dagegen war die deutsche Jugendzeitschrift „Bravo“ mit der Beratung in sexuellen Dingen, wie etwa: Ist der Zungenkuss gefährlich? Verliere ich meine Potenz, wenn ich onaniere? Darf ich mich selbst befriedigen? Aber die Verkaufszahlen sprachen für die Produzenten, sie stießen in eine Lücke vor, und viele Eltern verboten ihren Kindern den Kauf dieses Journals, was sie aber nicht hinderte es zu lesen, wenn sie es bei einer Inspektion in der Schultasche fanden. Bald danach hatte ich eine Freundin und ich hielt mich für sehr mutig, frei über meine hormonellen Säfte zu sprechen, nicht ahnend, dass damit jegliche Lust und Begierde in den Hintergrund treten musste. Sie anvertraute sich mir in dem Sinne, dass sie spüre, dass auch in ihrem Körper so merkwürdige Wellen zu strömen begannen. „Sprich nicht darüber“ sagte ich , „lassen wir doch unsre Körper sprechen, wir haben ja schließlich Hände, die die Sprache meist ganz gut ersetzen konnten“. „Warte noch“, lautete ihre Antwort. Es näherte sich mein Geburtstag und auf die Frage, was ich mir denn wünsche, hatte ich nur eine Antwort: „Ich will mich mit dir vereinen.“ „Das sind wir doch auch jetzt schon“, war eine Antwort, die keine weiteren Schlüsse zuließ. Nach reiflicher Überlegung kam ich zum Schluss, keine weiteren Wünsche zu äußern, sondern mich in die Rolle von Gottvater Zeus zu versetzen und an Stelle eines Wunsches eine Handlung zu setzen. Der Geburtstag kam und in den Abendstunden kamen wir uns näher und näher, die Hormone leisteten gute Arbeit und steuerten ihre Vasallen zur höchsten Bereitschaft, da drang eine leise Stimme an mein Ohr: „Heute geht nichts, ich habe meine Tage, aber wenn du willst, kann ich dir helfen.“ Das Brausen in meinen Ohren verstummte augenblicklich, die Hormone bliesen zum Rückzug, unnötiger Schweiß floss über meinen Rücken, als ich sagte: „Das ist mein Geburtstag, da mache ich mir nicht selbst Geschenke und ein Samaritergeschenk will ich nicht.“ Das waren natürlich Bemerkungen die nur der Dummheit an jungen Lebensjahren und den daraus fehlenden Erfahrungen zugesprochen werden können. Gibt es im Leben Ereignisse, die dein zukünftiges Leben prägen? Kein Zweifel, es gibt sie und du wirst sie nie mehr aus deinem Gedächtnis löschen können. Bei mir sind es Geburtstag und sexuelle Freude. Bis heute vermeide ich an meinen Geburtstagen Situationen die diese Erinnerungen wachrufen, ich habe sie bis jetzt durch Opern oder Konzertbesuche kompensieren können, langweilige Restaurantbesuche machen mir keine Freude. In den folgenden Jahren veränderte sich das Bild einer soliden Familie, in der ich aufwuchs. Meine Eltern befanden sich immer öfters in verbalen Kriegszuständen und die Auswirkungen spürte ich deutlich. Wir lebten in einer schweigenden, stummen Welt. Ich hatte ein Studium begonnen und mein ganzes Bestreben war nur auf ein Ziel ausgerichtet, so schnell es nur ging diese Hölle verlassen zu können und auf eigenen Füßen zu stehen. Ich hatte eine Tätigkeit auf den Pferderennbahnen angenommen, damals gab es noch vier Renntage pro Woche und konnte davon ganz gut leben und mir bald mein erstes Auto als Geburtstagsgeschenk erwerben. Die Rennbahnen im Prater waren immer gut besucht und nach den Rennen warteten in der Nähe des Parkplatzes Damen auf Spieler, die beim Wetten gewonnen hatten und bereit waren den Gewinn zu teilen. Ich weiß nicht mehr genau auf welchem Weg ich mit einer dieser Damen ins Gespräch kam und daraus entwickelte sich eine langjährige Freundschaft. War es die berühmte „Josefine Mutzenbacher“, ich kann es nicht sagen, aber zu diesen Damen, in Wien in intellektuell bescheidenen Kreisen nur Huren genannt, in Gesellschaften, die sich für bürgerlich betrachteten, Gunstgewerblerinnen, empfand ich Sympathie. Wir besuchten nach einem Renntag, wenn sie sagte: „Es ist verdammt, heute geht gar nichts, haben die alle verloren“? auch ab und zu ein Lokal und plauderten und erzählten uns unser Leben. Wenn Eva schwermütige Anwandlungen überfielen berichtete sie mir, dass sie erste Bekanntschaft mit einem männlichen Sexualorgan im Alter von acht Jahren hatte. Ihr Onkel, der Bruder ihres Vaters kam oft auf Besuch und vorerst spielte er mit ihr und ihrer zwei Jahre älteren Schwester Karten. Das waren so einfache Spiele wie „Schwarzer Peter“. Wer gewann erhielt ein Zuckerl. Eines Tages sagte der Onkel, nachdem er immer verloren hatte: „Eva, schau, mein Schwanzerl ist ganz traurig, weil ich immer verliere, er macht sich ganz klein, komm streichle ihn ein wenig“. Er öffnete seine Hose und zog Eva zu sich heran und führte ihre Hand in seine Unterhose. „Schau, jetzt ist er nicht mehr traurig und nun gibst du ihm noch Busserl“. So mussten sich die beiden Schwestern abwechselnd mit dem Onkel beschäftigen. Anna, so hieß ihre Schwester erzählte ihrer Mutter eines Tages diese Geschichte. Ihr Vater verprügelte dann seinen Bruder so sehr, dass sich ihre Mutter dazwischen warf und schrie: „Hör auf , du bringst ihn noch um“. „Das gebührt ihm auch“. Eva trat nach der Schule eine Lehrstelle als Friseuse an. Mit fünfzehn Jahren hatte sie ihre erste große Liebe, einen Bankbeamten, kennengelernt und mit noch nicht sechzehn Jahren war sie bereits Mutter eines Knaben, vom Bankbeamten sah und hörte sie nichts mehr. Ihre Eltern warfen sie aus der Wohnung, sie hatte Glück und die Chefin des Frisiersalons ließ sie bei sich wohnen. Eva hatte mit einem Schlag zwei Berufe, Mutter und Lehrling. Sie war noch nicht achtzehn, als eine Kundin im Geschäft sich mit ihr anfreundete. Sie lud sie zu sich nach Hause, kümmerte sich um das Baby und wollte dafür nur ein wenig Wärme und Zärtlichkeit, wie sie es ausdrückte. Ihre Bekannten wechselten sehr oft und sie sagte zu Eva: „Wenn du dir ein wenig was dazu verdienen möchtest, brauchst du nur ein bisschen freundlich zu meinem Freund sein, du gefällst ihm sehr“. Die Freundlichkeit bestand darin, der Dame und ihrem Freund bei deren sexuellen Spielchen zuzusehen und dann auch selbst Hand anzulegen. Über diesen Freund lernte sie dann dessen Freunde und Bekannten kennen. Bald danach konnte sie sich eine kleine Wohnung mieten, blieb aber im Beruf der Friseurin. Ihr Einkommen verbesserte sie mit diesen Freundschaftsdiensten. Und auf diesem Weg kam sie auch auf die Rennbahnen, verbrachte den Renntag mit Beobachtung der Spieler und so ergaben sich nach Beendigung der Rennen neue Bekanntschaften. Wir wurden gute Freunde und ich erhielt von Eva einen Aufklärungsunterricht, wie er in keinem Lehrbuch beschrieben stand, keinen sexuellen, sondern eine Hochschulausbildung in Soziologie. Sie lehrte mich zu erkennen worum sich im Leben alles drehte. Freud hätte von ihr lernen können. „Hast du nicht Angst, dass dir was passieren könnte“, fragte ich sie. „O ja, aber ich darf nicht daran denken, und wenn es eng wird hilft mir Fred“. Fred, das hatte ich bereits erfahren, war ihr Beschützer und nicht nur ihrer. Er betreute die Damen und hatte den großen Parkplatz vor der Rennbahn unter seiner Kontrolle. Die Damen arbeiteten nur in Autos und das ging immer sehr schnell. „Könnte ich dich nicht auch beschützen?“ Mehr brauchte ich nicht zu sagen. Eva wurde von einem Lachanfall geschüttelt, konnte sich gar nicht erfangen und unter Tränen, die sie am Sprechen hinderten, prustete sie: „Mein kleiner Freund, weißt du, was du vielleicht beschützen kannst? Hast du zu Hause einen Hamster oder Wellensittich, sorge dich um sie“. Wenn wir in dem Lokal saßen, kamen auch ihre Freundinnen vorbei und es war immer sehr lustig. „Dein Student, lernt er brav“, waren meist die einleitenden Worte, aber sie waren keinesfalls zweideutig gemeint. Manchmal kam auch Fred vorbei. „Sagt er nichts, dass ich da mit euch sitze?“ „Mein Schatzerl, er kennt dich schon länger als du glaubst. Er weiß, dass du bei den Buchmachern arbeitest und deinen Charakter kannst du nicht verbergen.“ Einmal sprach mich Fred an: „Sag deinem Chef, er soll die Fahrer beim Trabrennen nicht so beeinflussen, dass sie nicht gewinnen wollen“ und auf mein erstauntes Gesicht „manches Mal übertreibt er nämlich, denn so wie der Fahrer des favorisierten Pferdes heute verloren hat, das ist eine Frechheit. Das schnellste Pferd und der Fahrer sitzt im Schlafwagen.“ Er hatte recht. Einige Rennen, bei denen es zu hohen Wettverlusten der Buchmacher hätte kommen können, sahen nicht den Favorit als Sieger und das Publikum tobte und schrie nach Manipulation. Der Sohn von Eva hatte keine besonders guten Schulerfolge und ich gab ihm Nachhilfeunterricht in Deutsch. Einige der anderen Damen hatten auch Kinder im schulpflichtigen Alter und auch da sprang ich helfend ein. „Glaubst du, es gibt sie die berühmte große Liebe“? fragte ich Eva. „Und du, glaubst du an das Christkind?“ antwortete sie, „ neunundneunzig Prozent deines Geschlechtes denken bei Liebe nur ans Umlegen, was denkst du wie viele Männer mir schon geschworen haben, ich sei die einzige große Liebe ihres Lebens, ich hole dich aus diesem Milieu, bei mir wirst du es gut haben, und noch lauter solche ähnliche Phrasen.“ „Höre mir gut zu, ich gebe dir eine Aufgabe und denke darüber nach. Angenommen ich bin verliebt in dich, ich lasse alles liegen, bleibe Friseuse und will nur mehr mit dir zusammen sein. Wie lange denkst du, kann das halten? Nach einem halben Jahr spätestens kommen dir schon Bedenken, hat sie nicht mit dem oder jenen wieder etwas. Ihr seid ja so programmiert, dass ihr eine Frau nur als Eigentum betrachten könnt, schau dir doch die Geschichten um die Jungfräulichkeit an. Für mich ist der Sex Arbeit, oder denkst du gar, ich empfinde dabei auch nur den geringsten Anflug von Liebe. Ich erfülle den Wunsch eines Mannes und er bezahlt dafür. Und was bezahlt er?, er bezahlt mir, was er zu Hause nicht bekommt und was glaubst du wie viele kommen und sich an mir rächen wollen für ihr unerfülltes Sexualleben, aber das spüre ich sofort und du weißt, wir sind gut betreut und Fred ist korrekt, er presst uns nicht aus. Sollte dir also eines Tages die große Liebe über den Weg laufen, so sag es mir, ich werde mir deine Bekanntschaft ansehen und wenn du willst, dich beraten“. Ich behielt Evas Worte im Ohr. Zweimal stellte ich ihr eine Freundin vor. Zweimal riet sie mir ab. Zweimal sollte sie recht behalten, beide große Lieben erwiesen sich als zeitlich sehr begrenzt. in der Zwischenzeit hatte sich Eva mit ihrer Schwester Anna ihren eigenen Frisiersalon erworben und kam nur mehr selten auf die Rennplätze und wenn, dann nur um sich zu unterhalten. Ich hatte Karten für Mozarts „ Cosi fan tutte“ und lud Eva ein, mit mir die Vorstellung zu besuchen. Sie amüsierte sich königlich und sagte mir danach: „Und dann wollen mir die Menschen erklären, wie sich seit Adam und Eva die Welt verändert hat. Die Welt vielleicht schon, aber sicher nicht die Menschen, ich, zumindest konnte bisher noch keine Veränderung bemerken, geändert hat sich nur ihre Kleidung.“ Unsere Freundschaft hält bis heute und ich vermute, da wir nie Sex miteinander hatten, dass dies vielleicht das Geheimnis der großen Liebe ist. Wie Eva richtig angesagt hatte, hielt meine Ehe knappe sechs Jahre, dann trennten wir uns. In Amerika hätte man seelische Grausamkeit ins Treffen geführt, in Österreich hatte man profanere Argumente: Mein Mann geht fremd, meine Frau pflegt ein Verhältnis mit ihrem Beichtvater, wobei der Beweis männlicherseits leichter erbracht werden konnte, weiblicherseits galt das Gesetz der Unantastbarkeit des Beichtgeheimnisses. Eva hatte mich gewarnt: „Pass auf, jetzt wirst du schnell vogelfrei erklärt werden und als ganzjährig jagdbares Wild angesehen sein“. Sie sollte recht behalten. Ich traf wieder meine alten Freunde, wurde hier und dort eingeladen und merkwürdiger Weise traf ich bei diesen Treffen häufig alleinstehende Frauen. Hatten sie dasselbe Schicksal, wie ich zu tragen? Litten sie unter Einsamkeit? War ihren Kindern der Ernährer abhanden gekommen? Immer öfters hörte ich von den Frauen meiner Freunde die Bemerkungen: „Sie hat soviel mitmachen müssen, dabei ist sie ein herzensguter Mensch. Schade, sie hätte sich mehr im Leben verdient“. Es war daher nur natürlich, da ich ja ein weiches Herz habe und leidende Frauen schon gar nicht ertragen kann, dass ich mich der einen oder anderen annahm. Regelmäßig hörte ich die Sätze: „Solltest du glauben, es geht mir um den Sex, so muss ich dich gleich enttäuschen, es geht mir um andere Werte“. Wenig später verschob sich die Werteskala, Sex hatte doch eine Bedeutung, was nicht zuletzt in der Erfindung der Antibabypille lag. Mir kam mein eheliches Sexualleben in Erinnerung und wie kompliziert das war. Der Zyklus meiner Frau war auf einem Kalender, der auf dem Nachtkästchen lag, in Größe eines A4Formates, eingetragen. Die Phase des Eisprunges war rot eingezeichnet, mit jeweils drei Tagen davor und drei Tagen danach. Ein Blick auf den Kalender genügte. Da galt nicht die Ausrede, dass ich aufpassen werde, das hieß einfach „ schlaf gut“. Da aber der weibliche Körper keine Präzisionsmaschine mit genau festgelegten Perioden ist, kam noch eine weitere Absicherung hinzu. Ich spreche nicht von den primitiven Sicherheitsvorkehrungen wie sie etwa von der Latexindustrie angeboten werden, nein, bei uns legte man auf Genauigkeit wert. So lag in der Nachtkästchenlade auch ein Fieberthermometer bereit. Hatten wir also die Absicht uns zu lieben, ging das Prozedere so über die Bühne: Die Einleitung, die sogenannte Aufwärmphase war noch nicht abgeschlossen, da legte sich meine Frau auf den Bauch, ihre linke Hand deutete Richtung Lade und Thermometer, und sagte dabei kein Wort. Ich sah sie so vor mir liegen, die wildesten Gedanken im Kopf, die Erregung zwischen den Beinen, alle Sinnesorgane freuten sich, aber da hörte ich schon: „Vergiss nicht aufs Eincremen“. Ich kam der Aufforderung nach , dachte dabei an andere Möglichkeiten der Verwendung der Creme und setzte das Thermometer wie gewünscht rektal ein. In diesen ominösen drei Minuten beschloss mein Libido das Handtuch zu werfen. „Wie hoch ist die Temperatur?“ „36,7“ antwortete ich und entfernte das Thermometer. „Bestens“, sagte sie und drehte sich auf den Rücken. Sie warf einen Blick auf meinen Körper und meinte: „O je, ich sehe, du kannst heute nicht. Macht nichts, es ist ohnehin vernünftiger, du weißt ja, deine galoppierenden Spermien könnten sich auch verstecken und länger leben, sicher ist sicher“. Aber diese Zeit war vorbei. Mein bester Freund Libido suchte nach Betätigung und neuen Möglichkeiten, seine Macht zu zeigen und er fand sie. Ich war zu dieser Zeit Hundebesitzer. Beim Gassigehen ergeben sich mit anderen Hundebesitzern von allein Gespräche, vorerst über das Alter und die Gesundheit der Hunde, dann über die diversen Berufe und Freizeitaktivitäten um schlussendlich bei Frage zu landen, ob sich noch ein Cafebesuch ausgehen könnte. Ich lernte auf diese Weise Renate kennen. Sie war Besitzerin eines Dobermanns mit rabenschwarzem, glänzendem Fell. Ein Prachtexemplar. Ich konnte dagegen nur einen kleinen Münsterländer aufbieten. „Wie sind sie denn auf diesen Dobermann gekommen. Mit ihm sind Sie sicher immer in Sicherheit“. „Er gehörte meinem Ex, aber nach der Scheidung wollte er ihn nicht mehr und tatsächlich, er beschützt mich sehr, öfters aber übertreibt er und ich kann Bekannten kaum die Hand geben, ohne dass er nicht zu knurren beginnt. Ich bin daher sehr erstaunt, dass er sie nicht anknurrt“. „Ich habe ihnen ja auch noch nicht die Hand gegeben“. Nach drei Wochen wurde das Gassigehen zeitlich verkürzt, man ging nicht mehr ins Cafehaus, sondern wir plauderten in der Wohnung von Renate. Es gab aber auch hier Kaffee, aber alles immer unter den ständig kontrollierenden Augen des Dobermanns. Er hieß Lumpi, das sollte zeigen, dass er ganz sanft sei. Nach weiteren drei Wochen ahnten wir, dass unsere Körper über verbale Kontakte hinausgehen wollten. Die beiden Hunde hatten inzwischen Freundschaft geschlossen, warum sollten wir da zurückstehen. Renate beging, ich vermute in der kommenden Aufregung, eine kleine Unachtsamkeit, sie vergaß Lumpi in einem Zimmer einzusperren und kaum lagen wir ausgezogen Seite an Seite, sprang er mit einem gewaltigen Satz zu uns ins Bett und zwängte sich zwischen Renate und mich und als ich ihn zur Seite schieben wollte, zeigte er mir knurrend seine Zähne. Mein bester Freund und Arbeitsgenosse zog sich sofort auf minimale Größe zurück und ich schützte ihn mit beiden Händen, glitt im Zeitlupentempo aus dem Bett, ständig Lumpi im Auge behaltend, ergatterte blindlings meine Wäsche und verließ das Zimmer. Renate folgte mir und hob achselzuckend die Schultern: „Das ist neu, das kenne ich nicht. Das hat er noch nie gemacht“. Und wieder registrierten meine Zellen dieses Erlebnis. Resultat war, dass mein Libido in Anwesenheit von Hunden verzichtete zu erwachen. Der Hund hat sich im Laufe der Zeit, den Titel „bester Freund des Menschen“ erworben. Von nun an jedoch gab ich ihm den Titel „bester Sittenwächter“. Wurde er nämlich aus bestimmten Anlässen in einem Zimmer eingesperrt, heulte und winselte er zum Erbarmen. Wie um alles in der Welt sollte da unser Beisammensein eine freudige Angelegenheit werden? Konzentrationslos und leidend lagen wir beisammen, schauten zur Decke, tauschten Bemerkungen wie: hör nicht auf ihn, er wird sich schon beruhigen und andere triviale amouröse Sätze, aus, jedoch ohne Erfolg. Lumpi legte noch nach und so überhörten wir das Klingeln an der Wohnungstüre, erst als noch dazu heftig geklopft wurde, sprang Renate in ihren Schlafrock. Ich hörte sie sprechen und dann kam sie lachend zurück, natürlich in Begleitung von Lumpi. „Das waren zwei Polizisten, ein Nachbar hatte sie gerufen, weil Lumpi so laut bellte. Also hast du eine Idee, wie wir das in Zukunft lösen, weil ich sehe“, und sie blickte mir auf den Bauch, “heute dürfte nichts mehr gehen.“ „Lass ihn kastrieren, vielleicht ist er dann nicht mehr so eifersüchtig“, sagte ich zu ihr, aber immerhin konnten wir darüber herzlich lachen. Ich erzählte Eva von unsren Pannen, fragte um ihren Rat. Eva überlegte nicht lange und meinte dann: „Du hättest besser bei den Pferden bleiben sollen, die haben einen Stall“ und leider hatte sie wieder Recht. Renate fand eine andere Lösung, sie bat eine Freundin auf Lumpi zwei Stunden aufzupassen. Wir konnten alles nachholen und schwelgten im Paradies. Eines Tages aber sagte ihre Freundin, wir saßen in einem Cafehaus, eigentlich heißt es doch „Schäferstündchen“ und nicht gesamter Nachmittag. Sie hatte gut beobachtet, unser Beisammensein dauerte länger. Ist es so nicht auffällig, dass der Sex eine komplizierte Angelegenheit werden kann. Du suchst Harmonie und bedenkst nicht welche unerwarteten Probleme sie verhindern können. Renate und ich, wir standen immer unter Zeitdruck und das war sicherlich auch die Ursache eines langsamen Auseinandergehens. Wir machten es uns leichter, indem wir beschlossen unsere Hunde auf getrennten Wegen spazieren gehen zu lassen. Das ging ein Monat gut, als es passierte. Ich war mit meinem Münsterländer, ich nannte ihn Patrick, unterwegs, er schnüffelte hundert Meter vor mir in der Wiese. Ich spürte plötzlich einen heftigen Stoß im Rücken, torkelte und im Umdrehen erkannte ich den Verursacher. Es war Lumpi, er sprang wieder an mir hoch, leckte mir die Hände und war außer sich vor Freude. Da kam auch schon Patrick angerast und die Hunde liefen, sich gegenseitig jagend über die Wiese. Aber wo war Renate ? Nach einer Weile tauchte sie auf: „Da ist er also, er hat hat sich losgerissen und ist abgehauen, er hat einfach eine Supernase.“ Keine Frage, dass wir in die Wohnung von Renate gingen und ein kleines Wunder trat ein. Lumpi bekam keinen Eifersuchtsanfall. „Was hast du mit ihm gemacht, wie kommt es zu dieser Änderung seines Verhaltens?“ „Er ist halt sehr intelligent, er hat kapiert, was du mir bedeutest und beschlossen dich zu mögen“. So verlängerte die Zuneigung eines Hundes unsere Beziehung. Warum wir uns trennten, kann ich nicht mehr genau sagen, nach Renates Meinung war Monika schuld. Ich hatte sie in der Firma, wo sie als Praktikantin zwei Monate arbeitete, kennengelernt, wir gingen anfangs zu dritt aus, aber ich spürte, das gefiel beiden Damen nicht. Monika war hundelos, wohnte noch bei ihren Eltern und studierte Medizin. Sie war zwölf Jahre jünger als ich und wir verliebten uns, stimmt eigentlich nicht, ich verknallte mich in sie. Ihr Körper war eine Augenweide, selten zuvor traf ich eine Frau, mit dermaßen perfekten Proportionen. Da stimmte alles, Oberkörper im Verhältnis zum Bauch und Beinen einfach die reine Harmonie. Viele Künstler hatten Aphrodite als Modell vor Augen, sie hatten aber nicht Monika gesehen. Ich war nur mehr geblendet und zu unserem Glück lernten wir uns zu dem Zeitpunkt kennen, als die Antibabypille die Welt revolutionierte. Aber bald erinnerte mich an Evas Worte: Baust du auf Sex, dann baust du auf Schwemmsand. Und so war es auch mit Monika, irgendwann kam auf einmal der Knacks, es machte mir keine Freude mehr, die Spannung war weg, der Sex bekam routinierte Züge, es war für mich wie eine Pflichterfüllung. Monikas Mutter durchschaute als erste unsere sterbende Beziehung, aber mit welchen Folgen. Sie vermeinte mich trösten zu müssen, so dachte ich zumindest. Bald danach wechselten wir aber vom Cafehaus in ein kleines Hotel. Unsere Treffen waren sehr genau organisiert, Tochter in Vorlesungen, Mann im Operationssaal, einem Bummel in der Stadt stand nichts im Wege. Mein Selbstwehrgefühl erhob sich in Höhen, die ich bis dahin nicht kannte. Das war das berühmte Superweib, von dem alle männlichen Bewohner der Erde nur träumen konnten. Mich hatte sie auserwählt, ich war der Glückliche. Gespräche führten wir kaum, dazu hatten wir keine Zeit, aber was sich bei Leidenschaft abspielt, hatte ich bei ihr erfahren. Ein Orgasmus, der nur den Wunsch in sich birgt, augenblicklich zu sterben, in ihre starren Pupillen zu blicken, ihre Fingernägel in meinem Rücken, ich spürte nichts, die Welt stand still. Und dann war es von einem Tag zum anderen zu Ende. Sie kam nicht zu den vereinbarten Treffen, ich schlich um ihre Wohngegend, immer in Angst, ich könnte Monika treffen. Nichts, kein Anruf, keine Erklärung. Eva sah mir an, dass etwas vorgefallen war. Ich wollte darüber nicht sprechen. Ich fühlte mich als Versager, dann brach es aber aus mir heraus. Eva unterbrach mich nicht und am Schluss, als mir bereits Tränen über das Gesicht liefen sagte sie: „Du solltest froh sein, dass du eine solche Beziehung erleben durftest. Vielen Männern bleiben nur die Träume, du hast sie genießen dürfen, was willst du denn mehr. Denkst du, sie will mit dir leben, sei doch nicht naiv. Ihr habt eine wunderbare Zeit erlebt, das bleibt dir, mehr ist es auch nicht wert. Körperliche Harmonie zu erleben kommt einer Sternstunde gleich.“ Meine Eva, was ist sie für mich? Mutter?, nein das passt gar nicht, Freundin ? ,stimmt nur teilweise, sie ist mehr, eher Psychologin, nein, das will ich nicht, diese Psychologen drängen sich immer in dein Intimleben und studieren dich als Fallbeispiel, also was ist Eva dann? Sie ist ein Mensch, dem ich absolut vertrauen kann, ich kann mein Leben vor ihr ausbreiten ohne Angst haben zu müssen, sie könnte sich über mich lustig machen. Nach einem Gespräch mit ihr geht es mir immer besser. Ich gestehe, dass ich oft denke, wie schön wäre es mit ihr zu schlafen und sie sagte mir einmal: „Ich sehe in deinen Augen was du willst, aber ich möchte nicht, dass unsere Beziehung darunter leidet, zerstöre nicht, was du magst.“ Bald danach beendete ich meine Tätigkeit bei den Buchmachern. Der Staat erfand immer neue Wettarten, Pferderennen kamen vorerst langsam, dann immer schneller aus der Mode. Gewettet konnte nun bequem von zu Hause über das Internet werden. Die Besucherzahlen auf den Rennplätzen verringerten sich schlagartig und damit verbunden auch die Wetteinsätze. Wettbüros traten an die Stelle der Buchmacherstände am Rennplatz. Eva entschwand meinen Augen. Sie hatte jedoch meine unmittelbare Zukunft gut vorausgesehen. Ich wechselte meine weiblichen Bekanntschaften in immer kürzeren Zeiträumen. Bei keiner trat der berühmte Moment der weich werdenden Knie ein. Und das Studium der Charakterkunde verfeinerte sich zusehends. Manche Bekanntschaften waren zu Beginn lustig, dann anstrengend und letztendlich langweilig. Mit Doris war es genau so. Sie war ebenfalls geschieden, hatte sich vorgenommen um Männer einen weiten Bogen zu machen, aber das Schicksal führte uns auf ihrer Tangente des Bogens zusammen. „Damit wir uns von Anfang verstehen“, sagte sie „mehr als das Bett ist nicht drinnen. Keine gemeinsamen Zukunftspläne, jeder bleibt in seiner Wohnung, ich will meine Unabhängigkeit nicht verlieren“. „Das ist genau auch meine Ansicht“, antwortete ich. Aber irgendetwas knackt bei diesen Ansichten. War ich schon zu alt geworden? Hatte der Sex seinen Reiz verloren? Sank mein Testoteronspiegel? Sehnte ich mich nach einer fixen Beziehung? Ich wusste es nicht genau, aber es gab bei mir keine vollkommene Hingabe mehr. Was fehlte ? Doris meinte, ich bräuchte wohl ein wenig Pfeffer in meinem Arsch. Der Pfeffer hieß Sabine und gemeinsam mit Doris erwachten meine Lebensgeister wieder. Das waren wunderbare Erlebnisse, aber doch wiederum nur auf animalischen Sex reduziert, gegen den es absolut nichts zu sagen gibt. Zum Aufwärmen brachte Sabine öfters Videokassetten mit, sehr interessant zu Beginn, aber nach der dritten nur mehr fad. Es nahte wieder einmal mein Geburtstag und Sabine schlug vor, wir sollten den Abend mit Swingerfreunden verbringen. Ich kannte diese Freunde nicht, stimmte aber sofort zu, man kann nur etwas beurteilen, das man selbst erlebt hat. Mein Einwand hygienische Fragen betreffend wurde leichtfertig beiseite geschoben. „Alles sauber und geschützt“, lautete Sabines Antwort, „schau nicht so, du wirst es nicht bereuen“. „Und wo findet das statt?, fragte ich. „Im Club, du wirst schon sehen“. Beim Eintritt in den Club, es war schon ein wenig eigenartig, denn der Hauseingang lag in einer finsteren Nebenstraße, wurde Sabine freundlich begrüßt, ich wurde nur angesehen, dann sagte der Typ: „Willkommen, ich wünsche einen schönen Abend“. Es war wie in einem Sportverein. Der erste Weg führte zu den Garderoben, aber nicht nach Geschlechtern getrennt. Es waren schon drei Pärchen hier, zwei Frauen hatten sich in Ganzkörperlatexwäsche gezwängt eine andere hatte sich in eine im Netz gefangene Seejungfrau verwandelt, ein Mann hantierte mit einem Ring an seinem Penis, es war eher peinlich, als aufreizend. Man schüttelte einander die Hände, Sabine erwähnte, dass heute mein Geburtstag sei. Prächtig, das müssen wir ordentlich feiern, feixte eine Frau. Ich schaute sie an und sah der realen Welt ins Auge. Sie hatte ihre besten Jahre bereits hinter sich und obwohl ich es nicht wollte, fixierte ich die dicken blauen Krampfadern auf ihren Oberschenkeln. „Los, zieh dich endlich aus, dann gehen wir an die Bar“, hörte ich Sabine. Sie hatte sich bereits umgezogen, trug einen Bikini aus dünnem Leder. Ich kannte ihn schon. Er umhüllte ihren Busen, ließ jedoch ihre Brustwarzen frei heraus sehen. Ich hatte eine Sporthose an und eine Dame sagte zu mir: „Ich hoffe du bist ein Kampfsportler“. Ich grinste dazu verlegen und dann gingen wir an die Bar. Dort standen schon mehrere Paare, einige Frauen mit freien schweren Brüsten. Wir bestellten Getränke und Sabine flüsterte mir leise ins Ohr: „Wenn dir eine gefällt, nur zu, es gibt hier keine Tabus. Viele Erstlinge (welch schreckliches Wort) kommen anfangs nur zum Schauen, kleben an ihren Partnern, aber das löst sich sehr schnell. Vor dem Dicken dort, und sie drehte ihren Kopf in Richtung ans Ende der Bar, nimm dich in acht, er liebt Analverkehr, aber du musst nicht zustimmen.“ In dem Moment legte mir eine Dame ihre Arme auf die Schulter: „Du bist das Geburtstagskind? Ich hoffe, du bist in Form, denn so etwas feiern wir immer besonders“. Dabei streichelte sie mir den Rücken und griff mir zwischen die Schenkel, lachte und sagte: „Keine Sorge, das wird schon, Gut Ding braucht Weile“, und sie zog eine Hand von mir in Richtung ihrer Brust, „schön das, gefällt es dir?“ Um ehrlich zu sein, gefiel es mir gar nicht, denn sie verwendete ein Parfum, das mir Tränen in die Augen trieb. Und so ging es weiter, ich kam mir vor, wie ein Affe, der in den Käfig zu einem Trupp zahlreicher Voyeure gestoßen wurde. Das Rudel inspizierte den Neuankömmling. Eine Frau fand es besonders lustig mir die Hose herunter zu ziehen, meinen Penis anzufassen und meinte dann: „Gearbeitet wird aber bei uns nur mit Schutz, vergiss das nicht.“ Sabine zog mich von der Bar weg. „Ich zeige dir die Räumlichkeiten.“ Wir kamen an verschieden großen Zimmern vorbei, hier Spiegel, dort Spiegel, dort rote schummrige Beleuchtung, dort Riesenbetten, eigentlich keine Betten, nur Liegeflächen und hie und da ein knutschendes Pärchen. Die ganze Situation erinnerte mich an einen Schlafsaal, oder ein Lager auf einer Almhütte. Aber am schlimmsten für mich war der Geruch. Es war eine Mischung aus starkem Schweißgeruch , in den sich verschiedene, undefinierbare Parfumwolken und Moschusdüfte drängten. Sabine zog mich auf so eine Liegestatt, auf der sich knurrend und schnaufend bereits andere Paare breit gemacht hatten. Voluminöse Fleischberge schaukelten auf und nieder und wir lagen gepresst dazwischen. „Also los, bevor ein anderer kommt“. Wir versuchten uns ein wenig Platz zu schaffen, aber aus den Augenwinkeln bemerkte ich den Dicken, der uns gefolgt war. „Diese Initiation will ich nicht,“ hauchte ich Sabine ins Ohr. Zu meinem Erstaunen zog sie mich plötzlich zu sich: ,Leg dich auf mich, bleib so, er soll mich nicht sehen“. Es war ein weiteres Pärchen in unseren Raum getreten, schaute ein wenig, sah , dass zu wenig Platz auf der Liegefläche war und verließ dann das Zimmer. Kaum waren sie weg, sprang Sabine auf: „Rasch, wir müssen weg von hier“. Was geschehen war, erfuhr ich in der Garderobe. „Das ist mein Chef, wenn der mich hier sieht, schmeißt er mich hinaus, geh bitte schnell zahlen, ich warte draußen auf dich“. „Schon Schluss, war nichts dabei für Sie?, kommen sie doch wieder“, war die erstaunte Frage des Kellners. „Stimmt schon“, sagte ich zu ihm, nachdem er sich umständlich auf die Suche nach Wechselgeld gemacht hatte. So endete meine Geburtstagsfeier, aber im Gehirn wurde ein weiterer Schalter umgelegt. Ich habe danach nie mehr einen Swingerclub besucht. Auf welch verschlungenen Wegen ich Penelope kennengelernt hatte, kann ich mich heute auch nach intensivem Nachdenken nicht mehr erinnern. Sie war einfach da und ich gestehe, ich war wahrscheinlich auch zu einem guten Teil ihres Namens wegen an ihr fasziniert. Wer heißt denn heute noch Penelope ? Da kamen schon Assoziationen auf. Konnte ich Odysseus sein, oder nur ein um sein Leben bangender Freier. In Wien herrscht eine, für mich, peinliche Sitte. Man versucht immer den Vornamen durch einen Diminutiv zu verschönern. Bekannte von Penelope nannten sie Penny. Furchtbar, und Penelope ärgerte sich darüber sehr, trug doch eine Supermarktkette diesen Namen. Penelope trug schulterlanges schwarzes Haar, in ebensolcher Farbe waren die Augenbrauen und darunter leuchteten, nein glühten dunkle Pupillen und ihr Gesicht war mit der geraden klassischen griechischen Nase gekennzeichnet. Und dass sie keine Färbemittel für ihre Haarfarbe verwendete verriet die Behaarung ihres Venushügels. Vielleicht ein wenig zu buschig, wie auch ihr Haarwuchs unter den Achseln, aber damals war es noch nicht in Mode gekommen, Frauen als haarlose Wesen zu gestalten. Wenige Jahre später galt jedes Härchen zu viel als hässlich. Ein epilierter Venushügel?, gibt es noch etwas weniger Reizloses. Ich schauderte immer, musste ich eine solche Verstümmelung sehen, es erinnerte mich an die Haut eines in Folie eingepackten Geflügels. Und nachwachsende Haare machen aus einer Lotosblüte bald einen kleinen stacheligen Kaktus, nicht besonders einladend. Penelope war eine ausgezeichnete Köchin und das Kochen machte ihr Freude. In ihre Küche zu kommen, kam einem Geruchsorgasmus gleich. Die Düfte, die sich hier vermischten waren eine einzige Verlockung. Bei ihr lernte ich die Vorzüge kennen, die ein gutes Essen, für anschließende Vergnügungen, bereit halten. Ihre Mutter war Wienerin und hatte sich während eines Urlaubes in einen Griechen verliebt. Sie wählte den Namen, wohl in der Hoffnung, dass er ein gutes Omen sei. Als Penelope dann zehn Jahre alt war, ging die Ehe zu Ende. Ihr Vater kehrte wieder zurück auf seine Insel. Ihre Mutter erzählte ihr, dass ihr Vater eine Reederei besäße und er kümmerte sich sehr um das Fortkommen. Er überwies regelmäßig die geforderten Alimente, man brauchte sich also keine finanziellen Sorgen machen. Wir besuchten zweimal den Vater, der auf Korfu lebte. Ich wurde bei jedem Aufenthalt in der Familie herumgereicht, beim Bruder, dem Onkel, dem Cousin, dem Freund der Cousine und jedes Treffen war von einer herzlichen Freundlichkeit begleitet. Als in Wien Lebender ist man ja ständig von Heuchlern und Griesgrämigen umgeben, die einem schon um gute Laune neiden. Nicht einmal hörten wir: „Ihr müsst noch unbedingt vor eurer Abreise, bei der Tante von Anastasius vorbeikommen, denn sie wäre untröstlich, würdet ihr ohne Besuch gehen“. Es spielte auch keine Rolle, dass sich die Reederei des Vaters als Bootsverleih für Touristen herausstellte. Ich wurde wie ein Schwiegersohn behandelt und mit den Augen zwinkernd sagte mir ihr Vater: „Du wirst mit Penelope nicht einen Tag bereuen“. Dabei nahm er mich in die Arme und drückte mir auf die Wangen feuchte Küsse. In Wien zurück, fielen wir beide wieder in ein graues Loch, keine Familienmitglieder umgaben uns, Lachen und Freude hatte beinahe den Geschmack von Unanständigem. Aber noch sprachen unsre Körper. Penelope hatte zwischen ihren Brüsten einen kleinen Leberfleck und auf ihm sprossen sechzehn winzig kleine schwarze Härchen. Ich weiß das genau, denn ich hatte sie unzählige Male gezählt und es wurden nie mehr, aber auch nicht weniger. Und dieser kleine Fleck war für meine Lippen stets eine beliebte Station auf der Wanderung zwischen ihren Brüsten. Es ist schon komisch. Höre ich heute zufällig den Namen Penelope, denke ich immer an diesen kleinen Fleck. Ich war jedoch nicht Odysseus, ich war nur ein weiterer Freier und musste wieder auf Wanderschaft gehen, fragte mich jedoch unzählige Male, ob ich wohl jemals ankommen würde. Die Gräfin hieß Herta. Sie war Besitzerin eines Papierwarengeschäftes und belieferte in regelmäßigen Abständen unsere Firma. Das elektronische Zeitalter war gerade erst im Erwachen, im Büro klapperten noch die Schreibmaschinen, einige jedoch schon mit elektrischem Antrieb. Herta sah die Zukunft des modernen Büros voraus und suchte ein weiteres Standbein. Sie lieferte auch Computer. Das waren Geräte, meist dreimal so groß wie eine Schreibmaschine, und um nichts leiser. Die Buchhalterin hatte nur spottende Bemerkungen für diesen Apparat.: „Was der kann, mach ich schneller und brauche danach nicht Stunden zum korrigieren, gar nicht zu reden über den Lärm, den er macht“. Herta konnte jedoch auch einen Lärmschutz anbieten. „Ihr werdet sehen, in fünf Jahren, gibt es keine Schreibmaschinen mehr“. Sie sollte recht behalten, zwischenzeitlich benötigten wir aber noch viel Papier, Kohlepapier, Korrekturlack, Bleistifte, Kugelschreiber und natürlich Tinten in verschiedenen Farben, dazu große und kleine Ordner, die ganze Palette einer Papierhandlung eben. Meine Aufgabe bestand darin zu sorgen, dass alles notwendige Material immer ausreichend vorhanden war, ich stand also in regelmäßigem Kontakt mit Herta. Sie lud mich zum Besuch einer Messe für Bürobedarf ein, für sie hochinteressant, für mich eine quälende Zeitverschwendung. Sie hatte mein mangelndes Interesse bemerkt und sagte: „Zur Belohnung lade ich dich ein“, fügte aber nicht hinzu, dass die Einladung zu ihr erfolgen sollte. „Ich bin keine große Köchin, aber bei mir im Haus gibt es ein Wirtshaus, die liefern auch.“ So kamen zwei Wienerschnitzel, in Fett triefend, begleitet von dem in Wien üblichen gemischten Salat, der in wässrigem Essig schwamm auf den Tisch. Dazu Bier. Wir plauderten zuerst über ihre Firma, die der Vater aufgebaut hatte, später beim Café rückte ich näher. Herta hatte rötliches, sehr dünnes Jahr. Fiel das Licht ungünstig auf ihren Kopf, schimmerte die Haut weiß durch. Als wir im Bett lagen waren meine Augen geblendet. Ich hatte noch nie zuvor einen weiblichen Körper in dieser Hautfarbe gesehen. Das Weiß ihrer Haut stand in keiner Konkurrenz zu Carraramarmor . „Du bist sicher adelig“, sagte ich zu ihr. „Wie kommst du denn auf eine solche Idee“, war ihre Antwort. „Nun, ich sehe doch ,dass in deinen Adern blaues Blut fließt, für mich bist du eine Gräfin“. Viele Blutbahnen schimmerten bläulich durch die Haut, und gleichzeitig strahlte dieses Weiß auch eine eigenartige Kälte aus. „Ich muss dir unbedingt etwas sagen“ flüsterte mir Herta ins Ohr. Ich war gespannt was nun kommen würde und ich hörte es schon. „Ich hoffe, du verstehst mich, ich kann mich jemanden nur ganz hingeben, wenn ich überzeugt bin, dass er mich liebt“. „Das verstehe ich vollkommen“, flüsterte ich zurück , „und wie schaut das bei mir aus?“ „Ich brauche noch Zeit, ich habe da so meine Erfahrungen machen müssen und ich will nicht enttäuscht werden.“ „Also nehmen wir uns doch die Zeit“, antwortete ich, „das ist im Augenblick sicher besser, du sollst nur das machen, was dir gefällt“. Danach zog ich mich von der Marmorstatue zurück. „Bist du jetzt böse?“ „Keinesfalls“, meinte ich, mich ihr wieder zuwendend, „ aber ich glaube, mit mir hättest du keine schlechten Erfahrungen machen müssen“. „Aufgeschoben bedeutet nicht aufgehoben, ich denke darüber nach“, bekam ich zur Antwort. So folgten in den Wochen danach mehrere erfolglose Anläufe und Versuche. Herta war so um die vierzig Jahre, wie ich ihr Alter schätzte, aber was hatte sie denn so Furchtbares erleben müssen, dass wir nicht zusammen kamen. Herta war Besitzerin eines Alfa Romeo Spyder und ihre Fahrweise war dem Auto angepasst, soll heißen, dass ich meistens fürchtete in einen Unfall verwickelt zu werden. Zu dieser Zeit sah man meist nur Autos der Marke Opel oder Volkswagen, den sogenannten Käfer, vielleicht auch noch den DKW 3=6, aber nach einem Alfa blickte man sich um. Und nach einer Ausflugsfahrt in die Wachau zurück in ihrer Wohnung, spürte ich in ihrem Verhalten, dass es heute geschehen werde. Wir lagen beisammen, tauschten Zärtlichkeiten aus, Herta sprach kein Wort, hielt die Augen geschlossen, verhielt sich eher passiv und steif und dann geschah es. Herta schrie auf und stieß mich von ihr weg und stürzte ins Badezimmer und sperrte sich ein. Ich tastete nach dem Lichtschalter, denn es war komplett finster im Zimmer. Als es Licht wurde, erschrak ich, denn vom Bett bis zum Badezimmer zog sich am Boden eine dünne blutige Spur. Ich klopfte an der Badezimmertüre und nach einer Weile öffnete Herta. Sie weinte und ich zog sie zu mir und drückte sie fest an mich. „Bist du mir böse“, stammelte sie, „ich hätte es dir sagen müssen“. Ich gab keine Antwort, streichelte nur ihren Rücken, gestehe aber, dass ich von den kleinen roten Blutstropfen auf ihren weißen Beinen fasziniert war. Eine sehr schöne Farbkombination. „Lass mich jetzt allein“, hauchte sie mit dünner Stimme, und dann kam sie erst wieder eine halbe Stunde später, eingehüllt in einen Bademantel. Im Laufe der Zeit verbesserten wir unsere sexuellen Kontakte, aber Weltuntergänge waren keine dabei. Für mich schlimmer war jedoch, dass Herta ab nun eine sehr lästige Eifersucht entwickelte. Ich konnte mit keiner Frau mehr sprechen, ohne dass sie nicht sofort vermutete, ich hätte ein Verhältnis. Das war mir sehr unangenehm, wenn ich hören musste: „Du weißt, dass du zu mir gehörst, ich will dich nicht mit anderen teilen“. Mit solchen Worten leitete sie aber von selbst das bevorstehende Ende ein. Sie brachte die Lieferungen von nun an immer selbst ins Büro und warf den Damen meist nur giftige Blicke zu. Es war schrecklich, ich machte mich schon zum Gespött unserer Damenbelegschaft. Und ich ahnte nicht was auf mich zu kam. Herta kam ins Büro, beladen mit neuen Ordnern. In diesem Augenblick stand die Buchhalterin auf, tat so als übersehe sie Herta, kam auf mich zu, küsste mich und sagte: „Danke für gestern, es war wunderschön“. Ich schaute erstaunt und im nächsten Moment krachte es laut. Herta hatte ihre Ordner fallen gelassen und niemand kam ihr zu Hilfe um sie auf zu heben. Sie hatte sich aber schnell wieder unter Kontrolle, legte der Buchhalterin die Rechnungen auf den Tisch und sagte: „Wenn sie noch was brauchen, bitte, nur einen kleinen Anruf“, und dann verließ sie das Büro. Nachdem die Türe geschlossen war, brachen die Damen in Gelächter aus, einigen rannten sogar Tränen über die Wangen und sie konnten sich vor Kichern und Lachen kaum halten. „Ich hoffe du verzeihst mir“, sagte die Buchhalterin und schüttelte sich dabei vor Lachen, „aber das musste sein, du warst ja schon nicht mehr zu erkennen“. Sie hatte mit ihrer Aktion erreicht, dass ich mich augenblicklich frei fühlte und zu meinem Erstaunen mitlachen musste. Am Abend, es war Sommer und noch sehr hell auf den Straßen, läutete es an der Tür. Ich öffnete und Herta stand im Eingang. Sie kam in die Wohnung und sagte: „Ich möchte mit dir etwas besprechen“. Ich bot ihr Platz an, aber sie winkte ab, „nicht in der Wohnung, gehen wir doch ein wenig spazieren“, und damit wandte sie sich schon wieder zur Türe. „Warte, ich ziehe mich noch an, denn ich hatte nur sogenannte Gesundheitsschlapfen, Marke „Birkenstock“ an den Füßen. „Egal, wir gehen nicht weit“, war die Antwort. Wenige Meter vom Haus entfernt war ihr grüner Alfa geparkt. „Komm steig ein,wir fahren ein wenig, da kann ich besser reden“. Ich stieg ein und Herta gab Gas, wir waren noch nicht hundert Meter gefahren, da schrie sie mich an: „Du Schwein, du glaubst, dass ich mir das gefallen lasse, mich lächerlich vor diesen Ziegen zu machen und ist sie besser im Bett als ich, fickt sie besser, diese Hure, was macht sie denn alles? Nur weil sie jünger ist als ich? Ich wusste, in solchen Situationen ist es besser nichts zu sagen und zu warten, was noch kommt. Tatsache war, Herta hatte gut beobachtet, die Buchhalterin war tatsächlich jünger als sie, aber ich hatte absolut nichts mit ihr, nur durch Hertas Bemerkung fiel mir der Altersunterschied auf. „Ich habe dich was gefragt, antworte mir, was macht sie anders, wie lange läuft denn das schon, denke nicht, ich hätte schon längst deine Lustlosigkeit bemerkt.“ Sie hatte den Wagen beschleunigt und ich sagte: „Fahr nicht so schnell, sonst passiert noch ein Unfall“. „Ist mir scheissegal“, platze sie zwischen schmalen Lippen hervor. Zu dieser Zeit musste man sich im Auto noch nicht anschnallen, ich glaube, der Alfa hatte gar keine Sicherheitsgurten. „Wo fährst du denn hin“, fragte ich, denn wir befanden uns in der Zwischenzeit auf der Wienzeile, die Ausfahrtstraße Richtung Autobahn. Ich fühlte mich nicht wohl, sagte etliche Male, „halt doch an, dann können wir darüber reden“. Herta überhörte meine Bitten, sondern heulte: „Und so einem Schwein habe ich mich hingegeben, du hast mir alles genommen, aber eines schwöre ich dir, du wirst keine andere mehr ficken“. „Bleib sofort stehen“, schrie nun ich, hörte aber nur ihr grässliches Atmen und wie sie stossweise nach Luft rang. Ich sah sie von der Seite an und musste erkennen, neben mir saß eine alte Frau. Der Zorn hatte ihr Gesicht vollständig verändert, schwere Lidsäcke drückten auf die Wangen, von der Nase zogen sich tiefe Falten bis weit unter die Mundwinkel. Die Statue aus Alabaster war am Zerbrechen, Herta hatte sich nicht mehr unter Kontrolle, die tüchtige Geschäftsfrau hatte sich zur Megäre gewandelt. Ich war auch einigermaßen verblüfft über ihre Ausdrucksweise, hatte sie vorher doch nie solche Worte in den Mund genommen. „Weißt du, was ich mit dir mache?, ich kastriere dich du Dreckschwein, du kannst dein Ficken vergessen.“ In diesem Moment kam mir eine Verkehrsampel zu Hilfe. Herta musste scharf abbremsen, ich flog gegen die Scheibe, riss die Türe auf und sprang aus dem Auto und rettete mich auf den Gehsteig. Herta verweigerte das Grünlicht für sie, erst als hinter ihr stehende Autos hupten, setzte sie sich langsam in Bewegung. Plötzlich flog aus dem Alfa einer meiner Schlapfen. Ich holte ihn nicht und machte mich barfuß auf den Heimweg. Ich war noch nie so glücklich durch die Stadt gewandert und ignorierte die Blicke mancher Passanten. Endlich wieder frei, war mein einziger Gedanke. Der Buchhalterin kam die Aufgabe zu eine neue Lieferfirma für Bürobedarf zu finden und stolz berichtete sie mir, sie lieferten auch noch zu günstigeren Bedingungen. Ich berichtete aber den Damen nichts über meine Spritzfahrt in der Abenddämmerung. Die Arbeitstechniken im Büro änderten sich und ich musste Kurse, die Informatik zum Thema hatten, besuchen. Auf einem dieser Kurse lernte ich Corinna kennen. Natürlich nannten sie alle, außer mir, nur Conny. Sie war daher sehr erstaunt, dass mir nie Conny aus dem Mund kam und meinte, ich sei der erste, der ihren Namen respektiere. Biologisch gesehen waren wir beide schon im heroischen Zeitalter angelangt, es trennten uns nur wenige Jahre, wir brauchten uns daher gegenseitig nichts vor zumachen, jeder von uns verfügte bereits über genügend Lebenserfahrung. Ich hatte, wie Corinna auch, eine gescheiterte Ehe hinter mir. Die zahlreichen Liebschaften waren ermüdend und irgendwie sehnte ich mich nach ruhigen Zeiten. Corinna war, wie man so sagt, die richtige Begegnung, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort. Hatte es mich früher gestört, wenn eine Freundin ihre Kosmetikartikel bei mir im Badezimmer aufbaute, hatte ich bei Corinna nichts dagegen, ja es fiel mir gar nicht auf. Sie arbeitete in einem Büro, das nicht weit von meinem Arbeitsplatz entfernt gelegen war, wir hatten daher morgens und abends die gleichen Wege. Nach einem Jahr meinten wir nach eingehender Beratung, wir könnten noch einmal den Versuch wagen, unsere Beziehung staatlich zu legitimieren. Jeder von uns suchte den für diesen Anlass notwendigen Zeugen. Was kam mir da in den Kopf? Ich meinte in Eva die richtige Zeugin gefunden zu haben. Ich rief sie an und berichtete ihr von meinem Wunsch. „Hast du ihr erzählt, von wo wir uns kennen? „ fragte mich Eva. „Nein, du bist eine langjährige Bekannte, schon von der Schulzeit kennen wir uns, und ich will, dass du sie kennenlernst, du weißt dein Urteil bedeutet mir viel“. „Du kannst sie mir vorstellen, aber als Zeugin tauge ich nicht, da musst du dich schon anders umsehen.“ Es kam zu dem Treffen. Ich dachte, es sei besonders schlau von mir ein Treffen so zu bewerkstelligen, dass es nach einem Zufall aussah. Wir besuchten nach einem Museumsbesuch ein Cafehaus und der Zufall wollte es so, dass Eva bereits im Café wartete. „Na, so eine Überraschung, da treffe ich hier eine alte Schulfreundin, Corinna, ich möchte dir Eva vorstellen, das ist wirklich ein Zufall“. Die Damen machten sich bekannt, aber es war eine zähe Unterhaltung. Wir sprachen über die Ausstellung im Museum, dann über verschiedene Berufe, aber es schleppte sich nur dahin. Eva beendete den Besuch, sie müsse noch einiges erledigen, aber wir könnten uns ja wieder einmal treffen. Nachdem sie gegangen war, sagte Corinna zu mir: „In welche Schule seid ihr denn gemeinsam gegangen, ich denke das war höchstens die Volksschule, und wie lange habt ihr euch schon nicht mehr gesehen?“ In ihrem Ton lag Gefahr, dunkle Wolken zogen auf. „Ach, fallweise treffen wir einander, bei Klassentreffen, aber da kommen nicht immer alle wieder zusammen und ab und zu treffe ich ihren Sohn, der in einer Autowerkstatt arbeitet.“ „Das ist gut, wenn du jemanden kennst, mein Wagen müsste ohnehin zum Service, wo ist denn die Werkstatt, kann ich mich dort auf dich berufen?“ „Ich kümmere mich darum,“ sagte ich. „Und ihr Mann, oder lebt sie allein?“, hakte Corinna nach. „Wenn du mich so etwas fragst, muss ich passen, das weiß ich im Augenblick gar nicht“. Ob es glaubwürdig klang, konnte ich nicht beurteilen, aber Corinna meinte: „Das können wir sie ja nächstes Mal fragen“. Bereits am nächsten Tag rief ich Eva an. „Nicht am Telefon, lass dir was einfallen und dann rufen wir uns wieder zusammen“. Es kam zu einem Besuch in unserem alten Lokal in der Nähe der Rennbahn. Wo auch sonst, hier konnten wir frei sprechen, ohne andauernd einen Blick zur Eingangstüre machen zu müssen. „Also, du willst meine Meinung wissen? Ich kenne sie zu wenig, aber in der einen Stunde unserer Unterhaltung habe ich den Eindruck gewonnen, happy wirst du mit ihr nicht werden“. Und danach kam Eva sofort zur Sache. „Klappt es mit dem Sex?“ „Naja, so so la la, wir sind ja auch schon älter geworden“. „Was soll diese blöde Antwort, es gibt nur ein ja oder nein“. Und da ich mit Eva, wie früher, ohne Hemmung sprechen konnte, floss es aus mir heraus. „Sie ist nicht sehr erfindungsreich, sie bevorzugt immer dieselbe Mönchposition, spricht nicht viel dabei, ist kaum aktiv, aber sage mir endlich, was macht guten Sex aus?“ „Guter Sex ist immer eine subjektive Angelegenheit, was einem gefällt lehnt der andere ab und hier muss man zueinander finden, aber das kann nur funktionieren, wenn man absolutes Vertrauen in seinen Partner hat und das ist halt sehr, sehr selten der Fall, und gerade beim Sex sollte man sich nicht belügen, das rächt sich sehr bald. Vergiss den ganzen Scheiss, den du in Pornofilmen sehen kannst, versuche niemals deine Partnerin zu Aktivitäten zu zwingen, die sie dir hier zeigen, stelle nie die saublöden Fragen wie, „war ich gut? bist du zufrieden mit mir? hat es dir gefallen?, oder so ähnliches. Das sind die Sexkiller. Schraube deine Vorstellungen zurück, nicht jede Aufführung reißt zu Beifallstürmen hin, aber täglich Schnitzel essen ist nach einer Woche langweilig. Warum gehen denn so viele Ehen in Brüche? Die Partner sind nicht ehrlich zueinander, sie spüren das, aber haben nicht den Mut, darüber zu sprechen, verbergen sich hinter einer Fassade und lassen es so zu, dass sich ihre Beziehung immer schneller verschlechtert. Erinnere dich, was ich früher gesagt habe. Ich wusste warum sie zu uns kamen. Die einen suchten Liebe, andere wollten Rache, andere wollten sich nur schnell erleichtern. Und das Wichtigste für guten Sex ist Köpfchen. Ein Dummkopf wird nie guten Sex haben, er wird immer frustriert bleiben. Du musst dir eingestehen wo deine Grenzen sind, schenke deinen Freunden keinen Glauben, wenn sie von ihrer Potenzfähigkeit sprechen. Sex ist kein olympischer Wettkampf, den Lorbeer musst du dir anders erwerben, nicht im Bett.“ Und wie geht man mit guten Ratschlägen um? Ich heiratete Corinna, hatte einen Schulfreund als Zeugen gewonnen und musste leider die Vorhersehungen Evas erleben. Wir führten eine Ehe, brav und bieder, so wie es die Gesellschaft liebt. Elektrisierende Spannungen fanden nicht den Weg zu uns, aber das stimmt nicht ganz, aber das muss ich ausführlicher beschreiben. Corinna war ein Familienmensch, Ihre Eltern und ihre Tochter lebten nicht in Wien. Besuche waren also mit Autofahrten verbunden, zu Beginn unserer Beziehung waren die Wochenenden immer mit Zusammentreffen der Familienmitglieder verbunden. Alles was regelmäßig stattfindet und nach fixem Programm abläuft, beginnt mich rasch zu ermüden. Zu dieser Zeit begannen die kleinen Handys ihren Siegeszug anzutreten. Und für Corinna war es ein absolutes Muss am letzten Stand der Entwicklung zu sein, daher wurden alle Familienangehörigen mit solchen Geräten ausgestattet. Gestaltete sich anfangs das Telefonieren oft noch kompliziert und es sah schon drollig aus, wenn Menschen während eines Gesprächs das Handy in die Höhe hielten, in der Meinung der Netzempfang würde sich dadurch verbessern, oft hatte man aber auch gar keinen Empfang. Die Betreiber verbesserten ständig ihre Geräte, konnten jedoch nicht verhindern, dass viele Menschen wieder schreiben lernen mussten und mühselig die Buchstaben auf einem Minischirm suchten. Diese rasante Entwicklung brachte für mich auch Vorteile. Man konnte nun auf manche Wochenendfahrt verzichten und trotzdem in Kontakt bleiben. Ich habe vergessen zu sagen, dass ich zur Gruppe der Handyverweigerer gehöre, das unentwegte Piepsen oder Klingeln ist nicht meine Sache. Bei Corinna sah das anders aus. Ohne das Handy bei sich zu haben, wurde sie völlig nervös, durchsuchte pausenlos ihre Handtasche, hatte sie es zu Hause vergessen, musste sie wieder in die Wohnung zurückkehren und sich dort auf die Suche begeben. Ihre Augen strahlten nach der Auffindung und die Welt war wieder in Ordnung. Spöttische Bemerkungen von meiner Seite überhörte sie. Und so entwickelte sich bei uns die neue Art von Telefonsex. Und das lief so ab: Das Handy hatte seinen fixen Platz im Bett, immer in Reichweite und ich bin geneigt zu sagen, mit schöner Regelmäßigkeit trat folgende Situation ein. Ich denke ihre Familie, alle, wie erwähnt Handybesitzer, dürften über telepathische Fähigkeiten verfügen, so wie etwa bei den Ureinwohner Australiens, denn kamen wir uns erotisch näher, läutete das Telefon. Corinna sah nach dem Handy: „Ach, das ist Mama, warte einen Augenblick, es wird doch nichts passiert sein“, und schon begann ein Gespräch über allerlei wichtige Tagesgeschehen oder der Austausch von Kochrezepten. Dass nach Gesprächsende nicht mehr an Sex zu denken war, ergab sich von selbst. Anfangs hatte ich noch gesagt, lass es doch läuten, aber Klingeln und aus den Augenwinkeln auf das Handy zu schielen um den Anrufer zu diagnostizieren, war der Tod jeglicher libidinöser Wallungen. „Deine Mutter ist die beste Sittenwächterin, vielleicht sollte sie Kurse abhalten und ihre Fähigkeiten weiter vermitteln.“ „Das verstehst du nicht, es kann immer etwas passieren und dann ist es oft zu spät“, war Corinnas Antwort. „Ich wollte dir demnächst einen schönen Vibrator kaufen, so einen, bei dem man das Rauschen des Motors nicht hört, ein Gerät der Spitzenklasse, aber leider kann er nicht telefonieren“. „Und du meinst, ich finde das lustig, so einen Blödsinn hören zu müssen“, keifte Corinna. Tatsache war jedoch, dass ich an mir den Pawlowschen Hundetest erlebte. Telefonläuten im Bett bedeutete sofortiges Ende einer Erektion und auch keine Handarbeit konnte danach helfen. Wir führten eine Ehe, die selbst bei den so strengen Vertretern des Opus Dei, Lob und Respekt eingebracht hätte. Ich wahrte die Würde der Frau und unser Ehebett blieb sauber. Eines Tages rief mich die Frau eines Freundes an. Ihr Mann war mit Verdacht auf einen Herzinfarkt ins Spital gebracht worden. Ich machte mich auf den Weg, um ihn zu besuchen. Er sah gar nicht krank oder schwach aus und freute sich über meinen Besuch. Er teilte das Zimmer mit einem älteren Herrn, der die Besuchszeit schnarchend überleben wollte. Ich schob einen Sessel ans Bett und neigte mich zu meinem Freund, um ihn besser verstehen zu können. „Pass auf, ich sage dir, was mir geschehen ist. Wir sind nach langer Zeit wieder einmal in bester Stimmung, erinnerten uns an frühere Zeiten, sachte kam meine Lust in Fahrt, auch bei meiner Frau, ich konnte sie besteigen, bemühte mich nach Kräften und glaube mir, es war schwierig, da klappte ich plötzlich zusammen. Um meine Brust legte sich ein eiserner Ring, ich bekam keine Luft mehr, meine Frau schob mich zur Seite und rief die Rettung. So kam ich hierher. Es wurden zwei Stent gesetzt und das war auch schon alles. Der Arzt sagte mir, ich könne wieder leben wie vorher: „Alles, wie vorher ?, fragte ich ihn. „Ja, alles wie vorher, bedenken sie aber ihr Alter (wir beide waren knapp über sechzig Jahre alt), nicht unbedingt Hochleistungen betreiben und Vorsicht mit Viagratabletten“. Schon wieder ein neues Hindernis und ein weiterer Schalter wurde in meinem Kopf umgelegt. Zu Hause sprach ich mit Corinna über diese Errettung meines Freundes und fügte hinzu, dass so etwas ja zum Glück uns nicht passieren könne, vielleicht in der Hoffnung, dass sie sagen würde, es käme auf einen Versuch an, aber ihre Antwort fiel gänzlich anders aus: „Da siehst du wieder einmal, wie dumm eure Wünsche enden können“. Darauf konnte ich nicht mehr antworten, denn im selben Augenblick läutete ihr Handy. Es war ihre Tochter, die vor einem halben Jahr ein Kind bekommen hatte und seither konnte der Gesprächsstoff nie mehr ausgehen. Der Familienclan war nun erweitert, ich sah Corinna nur mehr das Handy in ihren Händen haltend. Aber jetzt war ich Pensionist, mein 75 jähriges Jubiläum stand ins Haus. Corinna war immer öfters mit den Aufgaben einer Oma betreut, es gab inzwischen drei Enkelkinder. Sie blieb bei den Kindern und half vor Ort. Auf Feierlichkeiten aus Anlass eines Geburtstages legte ich nie viel Wert. Das waren für mich unverhinderbare Ereignisse. Aber mich ritt der Teufel, diesen Geburtstag wollte ich besonders feiern. Aber wie? Ich überlegte hin und her. Sollte ich mir von einer Serviceagentur jemanden kommen lassen, schwarzhaarig in Erinnerung an Penelope, rothaarig wie Herta, nein, das besser nicht, vielleicht zwei Damen, eine jung, die andere älter, was wenn dann mein Herz nicht mitspielt, nicht jeder überlebt einen Herzinfarkt. Oder vorm Computer sitzen, einen Pornokanal laden? Auch nichts, zu langweilig. Herrgott, irgendetwas muss mir doch einfallen und da schlich ganz leise ein Gedanke heran. Ziehe eine Bilanz deines Sexlebens und mit wem könntest du das am besten besprechen. Es gab nur einen Gesprächspartner und das war Eva. Meine Hände zitterten während ich anrief. „Eva, ich möchte mit dir meinen Geburtstag feiern, geht das ?“ „Was, das ist nicht möglich, 75 wirst du schon“, sagte sie lachend „und wo soll das stattfinden, wer wird aller eingeladen?“ „Du allein, ich will mit dir feiern.“ „Na schön, aber zu dir in Wohnung komme ich nicht, wir können die Pensionistenparty bei mir steigen lassen“. Ich besorgte die Getränke, in diesem Alter kann man ja nicht mehr viel essen, also von vielen feinen Sachen, nur kleine Häppchen. Eva hatte den Tisch schön gedeckt, wir tranken Champagner , ein Glas, dann noch eines, aßen unsre Leckerbissen, prosteten uns zu, der ersten Flasche folgte eine zweite und dann fanden wir uns im Bett. Wir rissen uns die Kleider nicht vom Körper, es war aber trotzdem sehr reizvoll und spannend . Nichts im Gehirn signalisierte: Achtung Vorsicht, denk an den Herz, kein Telefon läutete, kein Hund knurrte, kein Thermometer wollte eingecremt werden, wir versanken ineinander und fünfzig Jahre meines Lebens konnte ich nachholen. Eng umschlungen schliefen wir ein. Ob ich meinen achtzigsten Geburtstag, den mir die Statistik verspricht, auch noch so schön erleben werde? Eva hatte mir beigebracht, dass Sternstunden nicht wiederholbar sind. |
Kontakt zum Autor J. Latkoczy: jurgen.latkoczy@gmail.com Copyright 2015- 20...., Jürgen Latkoczy
|
|
zurück zu Jürgen Latkoczy | zurück zur Startseite |