Leseprobe aus    "ZEIT - GESCHICHTEN" 

(Helmut L. Schida ,           2021)

 
 
ERSCHEINT  DEMNÄCHST !  Doch schon jetzt gibt es ein paar kleine Textproben daraus ...

 

Pornoklage

In New York gehen schon vor Prozessbeginn die Wogen hoch, klagt doch ein Mann eine Pornoseite im Internet wegen fehlender Untertitel.


Zugegeben, der Mann ist gehörlos! Er besucht die Seiten regelmäßig und erfreut sich jedes Mal an den tollen Szenen und den hübschen Akteuren. Nach mehrmaligem Ansehen versteht er auch die Zusammenhänge einigermaßen, aber er sieht auch, dass die Schausteller bei einigen Szenen ihren Mund recht auffällig bewegen und sich da sicher wichtige Sachen zurufen, die er durch seine totale Gehörlosigkeit natürlich nicht mitbekommt.


Von den Lippen ablesen klappt hier auch nicht, weil die Gesichter der Sprechenden ja nicht immer im Fokus der Filmkamera liegen. Da gibt es lohnendere Motive, wie man sich leicht vorstellen kann.
Als er mit seinem Freund, einem kleinen Anwalt, die Sachlage bespricht, wird die Anklage eingereicht. Diese richtet sich gegen die Produktionsfirmen dieses speziellen Filmgenres. Der Prozess verspricht alleine schon wegen der als Beispiele vorgesehenen Filmtitel und -szenen recht spannend zu werden – dem entsprechend groß ist das allgemeine Interesse der Medien und recht schnell ist der Saal im Gericht mit Adabeis gefüllt.


Nach 2 Prozesstagen dann das Urteil: Die Betreiberfirma der Internetseite wird dazu verpflichtet, jedes Video mit Untertiteln in der Landessprache zu versehen.
Wird dieser Verpflichtung binnen Monatsfrist nicht nachgekommen, wird die Seite vom Netz genommen und der Betreiber verliert den URL.



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Der Googletrick

Mein Freund Fritz erklärt mir, wie Google Maps es schafft, auf seiner App alle Straßenabschnitte mit Staugefahr gelb, alle total verstopften Straßenzüge rot und alle freien Straßen grün darzustellen. Und noch dazu in Echtzeit. Das ist für die staugeplagten Autofahrer eine feine Sache, denn so können diese schon im Vorfeld Staus erkennen und eventuell noch ihre Fahrtroute ändern. Ich hab‘s ausprobiert – funktioniert tadellos. Nur konnte ich mir nicht erklären, wie Google das mit den Farben hinkriegt.
Wozu hat man Freunde? Fritz klärt mich sofort auf und ich muss sagen, dass ich von der Idee wirklich begeistert bin.


Nein, Google schickt nicht Autos durch die Straßen, die dann die Verkehrslage checken und ins Netz stellen. Das geht viel eleganter. Heute hat doch jeder Mensch mindestens ein Handy. Auch Autofahrer sind da keine Ausnahme. Jeder hat doch sein Handy stets dabei, und die Dinger sind natürlich eingeschaltet. Jedes eingeschaltete Handy wird auch laufend über GPS geortet und erzeugt bei Google auf dem Schirm einen kleinen Punkt. Ein Stau wird nun als eine Linie von vielen Punkten, die sich nur zögernd bewegen, dargestellt. Und diese Linie färbt ein Rechner automatisch gelb ein. Bewegen sich die Punkte nicht mehr, was natürlich Stillstand auf der Straße bedeutet, springt die Farbe auf rot um. Keine oder nur vereinzelte Punkte auf einer Straße heißt natürlich freie Fahrt und grün.
Als ich die Idee kapiere, bin erst mal von den Socken. Warum kommt unser einer nicht auf sowas? Zu dumm!


Der Gedanke von den vielen Staus auf den Straßen und deren bunte Darstellung auf Millionen von kleinen Bildschirmen lässt mich tagelang nicht los, und bald darauf habe ich eine wahnwitzige Idee.
Ich schreibe Freunde und Bekannte mit einer sonderbar anmutenden Bitte an.


„Leute, gebt mir eure alten Handys, die ihr eh nicht mehr braucht. Seht nach, jeder hat doch in irgend einer Schublade so ein Ding. Und schickt mir oder gebt mir das Teil beim nächsten Wiedersehen. Nur funktionieren sollte der kleine Apparat schon noch.“


Solche Bettelmails schreibe ich viele, und langsam bekomme ich eine schöne Sammlung von Nokias, Samsungs und Chinesen zusammen. Auch ein paar alte iPhones sind darunter; deren Besitzer haben meist das letzte Modell und die beiden Vorgänger in irgend einer Lade.


Und nach knapp zwei Monaten habe ich fast hundert mobile Telefone beisammen und kann mein Experiment starten. Zuerst einmal muss ich alle Akkus aufladen. Bei hundert Geräten dauert das schon ein paar Tage. Und als die letzten wieder Saft haben, verlieren die erst geladenen schon wieder an Kapazität. Aber mit viel Geduld habe ich alle Handys dann soweit, dass ich mein Experiment starten kann.


Ich packe die hundert eingeschalteten Handys in einen kleinen Aktenkoffer, den ich am Beifahrersitz meines Autos ablege. Mein eigenes Handy verwende ich als Navi, starte Google Maps und fahre los. Alle paar Sekunden checke ich mein am Armaturenbrett befestigtes Handy. Es dauert keine zwei Minuten, da baut sich genau auf meinem Weg ein Stau auf, zuerst wird der Straßenzug, den ich befahre, gelb, nach einer weiteren Minute rot. Google sagt mir sehr deutlich, dass ich in einem immensen Stau stecke, obwohl ich das einzige Auto auf der Straße bin.


Ich nehme die nächste Autobahnauffahrt nach Süden. Sofort erzeuge ich auch hier einen soliden Stau, der bald bis zur nächsten Abfahrt anhält. Dabei fahre ich buchstäblich allein auf der sonst um diese Zeit stark befahrenen Strecke.


Was war wohl geschehen? Goggle Maps hat meine hundert Handys als hundert verschiedene Fahrzeuge gedeutet und nicht als hundert Handys in einem einzigen Fahrzeug. Dadurch wurde der betreffende Straßenzug schnell rot eingefärbt. Dies sahen alle Fahrzeuglenker, die auf ihr Hände guckten, deuteten rot als riesigen Stau und suchten sich eine Ausweichroute. Das kam natürlich mir zu Gute, denn ich hatte die ganze Strecke fast für mich alleine.


Ich nahm die übernächste Ausfahrt und führ auf der recht stark befahrenen Gegenspur zurück nach Hause. Und ihr werdet es nicht glauben: Nach wenigen Minuten verebbte nun auch in dieser Richtung der Verkehr deutlich und ab der nächsten Auffahrt hatte ich die Autobahn wieder für mich allein.
Als ich Fritz von diesem Experiment erzählte, sah er mich fassungslos an. „Hätte ich geahnt, wofür du mein altes iPhone brauchst, ich hätte es dir nie gegeben. Du hast damit eine Straftat begangen. Du kannst doch nicht nach deiner Vorstellung den ganzen Verkehr durcheinander bringen. Das wird sicher noch ein Nachspiel für dich haben!“


Hatte es nicht! Und wenn man auf mich gekommen wäre, hätte ich mich damit rausgeredet, dass ich als Künstler doch nur eine Installation, also ein Kunstwerk im öffentlichen Raum veranstalten wollte. Eben eine Art virtueller Plastik aus rund hundert eingeschalteten Handys.



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R.I.P. QR

„Hier ruht unser Vater, Onkel und Großvater. Unvergessen!“
„Geheimrats-Gattin, Mutter und Schwester. Gott hab sie selig!“
„Hausherr und Seidenfabrikant, Josef K. Ruhe in Frieden!“
Solche Grabinschriften sieht man nur mehr auf alten Friedhöfen oder in Wien noch originär am Sankt Marxer Friedhof. Denn auf anderen Friedhöfen geht meiner Beobachtung nach ein neuer Trend um. Von diesem berichte ich hier.


Noch ist es kein neuer Trend, aber es könnte einer daraus entstehen. Und zwar macht hier ein kleiner Friedhof am Südrand von Wien den Vorreiter. Hier liegen auch meine Eltern unter einem Haufen Erde und ich besuche sie ein- oder zweimal im Jahr. Bei dieser Gelegenheit wandere ich auch eine Weile durch andere Abschnitte des Friedhofs, betrachte frisch aufgeworfene Erdhügel, umgefallene Grabsteine, lese die Schleifentexte auf den Kränzen der frischen Gräber. In einer Ecke des Friedhofs, komme ich stets an einem Hochgrab mit Marmorengel und weißer Taube vorbei, wenn ich zu meinem Auto zurückgehe.


Heute sinkt die Sonne langsam hinter die Friedhofskirche und zeichnet lange Schatten auf die Kieswege. Ich schlage heute einen anderen Rückweg ein und gelange so zu einem völlig neuen Grab. Sehr modern, wie aus dem nächsten Jahrhundert. An Stelle des Grabsteins, steigt eine dicke, geschwungene Glasplatte aus der Erde, deren Kanten rundum blau leuchten. Das fällt auf, das zieht einen in den Bann. Ich gehe auf die geschwungene Glasskulptur zu. Kein Name, kein Beruf, keine Jahreszahl, kein tiefsinniger Spruch für den Entwichenen. Nur fahles, blaues Licht.


Als ich nahe genug an der Platte stehe, fällt mir eine Messingplatte 20x20 cm auf, die auf dem Glas zu kleben scheint. Und auf diese Metallplatte ist doch tatsächlich ein QR-Code geätzt. Ihr wisst schon, diese vielen kleinen schwarzen und weißen Quadrate, die zusammen wieder ein großes Quadrat ergeben. Man sieht sie auch schon manchen Ausstellungen und Museen. Ist eine gute Erfindung! Hält man nämlich sein Handy mit der Kamera an dieses Quadrat, wird einem alles von dem entsprechenden Kunstwerk erzählt, besser aufs Display des Handys geschrieben. Auch an alten und berühmten Bauwerken habe ich diese QR-Codes schon entdeckt. Aber was sollen diese Dinger auf einem Friedhof, auf einem Grabstein?


Ich, nicht faul, zücke mein Handy, halte es in kurzer Entfernung da die Messingplatte und schon kommt Text auf meinen Bildschirm. Und was ich hier lese, erstaunt mich doch sehr.


So kann ich die ganze Lebensgeschichte des hier Beerdigten nachlesen, sehe ein Foto von ihm, von seiner Familie und seiner Firma. Dann werden seine Leistungen für die Öffentlichkeit gewürdigt und seine Orden aufgezählt. Ein kurzes Video, das den Mann zu Lebzeiten zeigt, gibt es auch noch zu sehen.

Ich bin unterdessen beim Ausgang angelangt und lese noch immer in der Lebensgeschichte des Mannes unter der blau schimmernden Glasplatte. Was es nicht alles gibt!


Spätestens hier solltest du unter helmut@schida.at das Buch bestellen! Denn ich denke, es wird dich sicher interessieren, warum es demnächst wahrscheinlich kein Eskimo-Eis mehr geben wird. Dieses Buch wird darüber Auskunft geben. Du wirst staunen, wetten?!

 

 

 

So und jetzt eine Mail an helmut@schida.at mit Name, Adresse und dem Vermerk "Ich will das Buch sofort nach Erscheinen haben!"

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