Leseprobe aus    "EIN LEHRERLEBEN 2" 

(Helmut L. Schida ,           2020)

 


 
IST SOEBEN (November 2020) ERSCHIENEN !  Hier eine kleine Textprobe daraus ...


Meine erste Schullandwoche

Im Mai ging es dann tatsächlich los. Klassenvorstand der 1a war die junge Kollegin Ines, ich selbst führte damals die 1b, und der Direktor der Schule gab uns eine weitere ganz junge Lehrerin, Maria, mit. Die Anzahl der begleitenden Lehrpersonen errechnete sich aus der Schülerzahl, was in diesem Fall eben drei Begleitpersonen ergab. Die Leitung dieser Woche wurde mir übertragen, weil ich der älteste der drei teilnehmenden Lehrer war. Das konnte ja spannend werden – auch ich betrat mit so einer Woche völliges Neuland im Schulwesen.

Ich war schon damals für Disziplin, das hatte ich von meinen älteren Kollegen ja deutlich eingehämmert bekommen. Auch heute scheint das jedem vernünftig denkenden Menschen völlig klar, dass ohne sie jeder Gruppenzusammenhalt, jedes Lernen und Begreifen unmöglich werden. Das Verhalten der Masse der Jugendlichen heute liefert den Beweis dafür. Damals, das ist jetzt über 50 Jahre her, hatten wir mit Ordnung und Disziplin kaum Probleme – und die wenigen lösten wir rasch und schmerzlos. Anders geht’s eben nicht!

Die beiden Kolleginnen, die ich als Begleitung mitbekommen sollte, kannte ich schon vom Unterricht her ein wenig. Beide waren jung und dynamisch, was mir sehr gefiel und für eine reibungslose Woche auf dem Lande unabdingbar war.

Der Bus stand zur Abfahrt vor der Schule bereit, jedes Kind kam heute pünktlich mit einem Elternteil oder der Oma, die den Rucksack trug. Alles war gut vorbereitet, denn wir hatten Kinder und Eltern bei einem speziellen Elternabend auf das Bevorstehende gedrillt. Alle waren sie fröhlich gestimmt und natürlich sehr neugierig. Für viele sollte es ja der erste längere Aufenthalt fern von zu Hause und den Eltern werden. Als der Bus anfuhr, gab es dann doch noch ein paar Tränen, die der Fahrtwind und die Neugierde jedoch bald getrocknet hatte.

Bald nach unserer Ankunft in Seewiesen waren die Kinder an die neue Umgebung, ihre Zimmer und das Drumherum gewöhnt. Die Mädchen bezogen ihre Zimmer, die Buben waren im Trakt mit Blick zum Berg einquartiert. Gleich gab es Mittagessen, was den meisten gut schmeckte. Ein paar Nörgler gibt es ja immer. Dann wurde eine Stunde auf den Zimmern geruht, während ich mit den Wirtsleuten den Tagesablauf, die Hausordnung und Organisatorisches für die nächsten Tage besprach. Danach ging es hinaus auf die erste kleine Wanderung rund um die Unterkunft, zum nahen See und an den Waldrand – in der Absicht, die Kinder müde zu machen, damit sie dann am Abend Ruhe gaben und bald einschlafen sollten.

Die Aktivitäten an der frischen Luft, der steile Marsch zu einem nahen See, Ballspiele und Wettrennen sorgten dann tatsächlich für abendliche Müdigkeit und ruhiges, lehrerfreundliches Schlafverhalten. Nichts ist nerviger, wenn du als Lehrer halbe Nächte auf dem Gang verbringen musst, nur weil die Kinder in ihren Zimmern Krawall machen. Solches Verhalten gehört schon als Selbstschutz im Keim erstickt. Das taten wir drei Lehrer dann auch konsequent.

Nach dem Abendessen gab es Karten- und Brettspiele. Auch Tischtennis konnte im Keller spielt werden. Ein paar Kinder schrieben lieber Karten nach Hause, Briefe waren nicht erlaubt, da hätte ja alles mögliche drinstehen können. Die frankierten Karten landeten in einer Schachtel bei der Tür. Bevor sie zur Post gingen, lasen wir Lehrer sie natürlich durch. Sehr selten musste eine ausgesondert werden, wenn das betreffende Kind zu sehr über furchtbar schlechtes Essen oder gar zu böse Lehrer herzog. Das wurde beim Frühstück dann besprochen und die betreffenden Textstellen entsprechend geändert. Die Eltern sollten sich doch keine unnötigen Sorgen um das Wohl ihres Sprösslings machen. Und als dann in allen Kinderzimmern unser „Licht aus!“ brav befolgt wurde, hatten auch wir drei endlich Zeit für uns.

Wir besprachen die Ereignisse des Tages, stellten nach Einsicht in den Wetterbericht das Programm für den nächsten Tag zusammen, machten eine letzte Runde durch die Kinderzimmer und gingen dann selbst zu Bett.

Alles hatte sich gut eingespielt, wir unternahmen mit den beiden Klassen viel, wanderten jeden Tag ausgiebig und hatten daher auch reichlich Appetit. Schwierig wurde es erst, als der dritte Tag der Woche total verregnet war. Wir spielten im Haus, eine der Kolleginnen hielt sogar mit interessierten Kindern eine Lernstunde ab, im Keller wurde am Tischtennistisch ein „Ringerl“ nach dem anderen gespielt. So richtig müde wurde die Kinder davon aber nicht.

Nach dem Mittagessen führten wir eine Ruhestunde auf den Zimmern ein – so richtig ruhig wurde es aber nicht. Nach dem Abendessen hatte der Regen nachgelassen, so brachen wir noch zu einer kleinen Wanderung auf. Nichts allzu Anstrengendes, denn der Boden war sehr aufgeweicht,

Der Abend verlief dann nach dem schon gut eingespielten Muster, und um 22 Uhr wurde wieder das Licht in den Kinderzimmern gelöscht. Natürlich machte ich noch einen Rundgang durch die Bubenzimmer, während die Kolleginnen die Mädchenzimmer kontrollierten.

Plötzlich dringen laute und zornige Worte aus einem der Mädchenzimmer! Ines stürzt auf mich zu: „Helmut, komm schnell, die Helga aus deiner Klasse führt sich furchtbar auf, sie will vom Balkon springen!“

Ich eile zu dem genannten Zimmer, trete mit der Kollegin ein und sehe die Bescherung. Die kleine Helga sitzt auf dem Fußboden unter dem Fensterbrett und heult - Zwei ihrer Freundinnen sitzen schon bei ihr und versuchen sie zu trösten.

„Was ist passiert? Könnte ihr mir das sagen?“

„Die Helga will sich umbringen!“

„Wasss? Was ist geschehen? Sprich, Daniela!“

„Der Karli von der B-Klasse hat die Helga stehenlassen und geht jetzt mit der Alexandra. Und das kann die Helga nicht aushalten. Sie will aus dem Fenster springen!“

Die Mädels sind elf Jahre alt. Da kann so etwas schon einmal vorkommen. Die vier Bewohnerinnen dieses Zimmers sind alle aufgelöst und verzweifelt. Ich trete an die am Boden Sitzende, hebe sie vorsichtig hoch und schiebe sie hinaus auf den Gang. Ich lege ihr einen Arm um die zittrige Schulter und rede beruhigend auf sie ein. Langsam fängt sie sich, wischt sich die Tränen ab und stoßweise bricht es aus ihr heraus: „So ein gemeiner Kerl, der Karli. Ich hasse ihn und die Alex dazu!“ Es schüttelt sie richtig durch.

Wir gehen noch ein paarmal den Gang auf und ab. Helga hat keine Hausschuhe an den Füßen, daher führe ich sie langsam in ihr Zimmer, wo das Fenster schon vorsichtshalber von der Kollegin geschlossen wurde. Als alle vier Mädels in den Betten liegen, drehen wir das Licht ab.

„Gute Nacht! Und jetzt wird brav geschlafen. O.K?“

„Ja, Herr Klassenvorstand“, tönt es leise. Ich bleibe am Bett von Helga stehen, streiche ihr vorsichtig über den Kopf.

„Geht‘s wieder, Helga?“

„Ja, Herr Schida. Gute Nacht und danke!“ - „Schlaf auch gut!“

Ich lasse die Tür dieses Zimmers einen Spalt offen ...

... spätestens hier solltest du das Buch nun bestellen: helmut@schida.at

 

So und jetzt eine Mail an helmut@schida.at mit Name, Adresse und dem Vermerk "Ich will das Buch sofort nach Erscheinen haben!"

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